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Außenwirtschaftsförderung statt Entwicklungszusammenarbeit: FDP-Politik pur

Rede von Niema Movassat,

Niema Movassat (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren, bezüglich des Entwicklungsbudgets stecken wir seit Jahrzehnten in einer Endlosschleife. Wieder wird ein neuer Haushalt verabschiedet; wieder ist er meilenweit vom internationalen Versprechen Deutschlands entfernt, die Quote der Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationalprodukts zu steigern.

Laut Europäischer Kommission beträgt die Lücke zwischen zugesagten und tatsächlich gezahlten Entwicklungshilfegeldern in Deutschland im Jahr 2010 mittlerweile ganze 2,7 Milliarden Euro. Dabei bräuchten wir jedes Jahr knapp 2 Milliarden Euro mehr, um das 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen. Laut Regierungsplanung werden aber bis 2014 fast 400 Millionen Euro weniger in den Entwicklungsetat fließen. Das ist eine völlig falsche Weichenstellung.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich bin zwar erst zum zweiten Mal bei den Haushaltsberatungen dabei, aber eine Frage an meine Kolleginnen und Kollegen, die schon länger dabei sind: Kommen Sie sich nicht langsam lächerlich vor? Sie schieben sich jedes Jahr aufs Neue gegenseitig die Schuld in die Schuhe ‑ auch heute wieder ‑ und erfinden immer wieder neue Ausreden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie alle waren oder sind aber in der Regierung und haben alle zu wenig dafür getan, dass wir das Ziel erreichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Von den für die Entwicklungsarbeit ausgewiesenen Geldern fließen nur circa 40 Prozent in die Partnerländer. Der Rest sind Kosten, unter anderem für Abschiebung, Verwaltung und Unterkünfte der Bundeswehr in Afghanistan. Was sich irgendwie mit Entwicklungsländern in Verbindung bringen lässt, rechnen Sie in die Entwicklungsquote mit ein. Sie sollten einmal überdenken, was Sinn und Zweck des 0,7-Prozent-Ziels ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Es soll Geld zur Verfügung gestellt werden, um nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen, damit grundlegende Menschenrechte wie Bildung und Gesundheit endlich auf der ganzen Welt gewährleistet sind. Ganz sicher ist es nicht Sinn und Zweck, durch Buchungstricks irgendwann formal die 0,7-Prozent-Marke zu erreichen, damit Sie sich dann auf die Schulter klopfen können.

(Beifall bei der LINKEN)

In einem Punkt bleiben Sie, Herr Niebel, sich treu: Die Mittel für Ihr Lieblingsprojekt „Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft“ erhöhen Sie um satte 25 Prozent. Schauen wir uns doch einmal diese öffentlich-privaten Partnerschaften, kurz PPP genannt, genauer an. Das erste Problem ist, dass sich die Interessen der Unternehmen häufig nicht mit den Anforderungen an die Entwicklungszusammenarbeit decken.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Unternehmen gehen nun einmal ungern in Staaten mit einer instabilen Wirtschaft oder einer schlechten Infrastruktur. Viele Staaten Afrikas, insbesondere ländliche Regionen, bleiben damit außen vor. Auch die Bereiche, die für nachhaltige Entwicklung eine große Rolle spielen, also kostenloser Zugang zu Bildung, Gesundheit und Wasser, kommen bei PPPs viel zu kurz. Hierfür werden nur 15 Prozent der Gelder ausgegeben; denn für die Privatwirtschaft sind hier kaum Profite zu machen.

(Beifall des Abg. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD))

Die PPPs binden also Mittel, die in anderen Bereichen dringend benötigt werden. Da die Unternehmen nur in lukrative Bereichen investieren, ist völlig unklar, ob sie die Projekte nicht ohnehin durchgeführt hätten. Deshalb handelt es sich bei PPPs oft schlichtweg um verdeckte Subventionen. Das ist Außenwirtschaftsförderung, nicht Entwicklungszusammenarbeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD))

Das zweite Problem: Im PPP-Programm des Entwicklungsministeriums sind nur deutsche bzw. europäische Unternehmen antragsberechtigt, Firmen aus Partnerländern nicht. Das führt das ganze Konzept der PPPs endgültig ad absurdum. Es trägt nicht zur Stärkung der lokalen Wirtschaft bei. Sie betreiben ganz antiliberal ‑ das stellt auch die Deutsche Welthungerhilfe fest ‑ Wettbewerbsverzerrung zugunsten deutscher Unternehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Die letzte Evaluation des gesamten PPP-Konzepts gab es vor acht Jahren. Niemand käme in der Wirtschaft damit durch, nur alle zehn Jahre Bilanz zu ziehen. Wenn Sie schon mit der Wirtschaft kooperieren, dann legen Sie wenigstens in diesem Punkt dieselben Standards an.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen: Das Geld wäre in den Bereichen ländliche Entwicklung oder Hungerbekämpfung angesichts fast 1 Milliarde Hungernder wesentlich besser aufgehoben.

Ungenügend sind auch die Bemühungen der Bundesregierung zur Abschaffung der Agrarexportsubventionen. So subventioniert die Europäische Union Milch und macht sie dadurch künstlich billiger. Das Milchpulver landet dann in afrikanischen Staaten. Die Kleinbauern vor Ort können mit diesen Dumpingpreisen nicht konkurrieren. Lokale Milchmärkte wie in Sambia wurden dadurch zerstört und Bauern in Armut und Elend getrieben. Dasselbe Spiel kennen wir in Ghana mit den Tomaten und in Ägypten mit dem Getreide. Aber statt die Agrarexportsubventionen bis 2013 wie versprochen abzuschaffen, will die Europäische Kommission bei der Neugestaltung der europäischen Agrarpolitik bis 2020 an den Subventionen festhalten. Die Bundesregierung muss ihren Einfluss geltend machen, damit diese Pläne nicht Wirklichkeit werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Also: Zu wenig Mittel und zu viel Wirtschaftsorientierung, das sind Kernpunkte Ihrer Entwicklungspolitik. Die Linke wird diesem Haushaltsentwurf daher natürlich nicht zustimmen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)