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Aufklärung: Ja! Nationaler Alleingang: Nein!

Rede von André Hahn,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee waren eines der größten Infrastrukturprojekte in Europa. Und egal, wie man aus politischen Erwägungen heute zu diesen Leitungen stehen mag: Der Anschlag darauf war ein Verbrechen und ist daher mit aller Entschiedenheit zu verurteilen. Deshalb sage ich auch für Die Linke ganz klar: Die mit diesem Verbrechen verbundenen Vorgänge und seine Hintergründe müssen möglichst lückenlos aufgeklärt, die Urheber dieser terroristischen Aktionen müssen ermittelt und, sofern man dieser noch habhaft werden kann, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Robert Farle [fraktionslos])

Es wäre völlig unverantwortlich, wenn seitens der Ermittlungsbehörden oder der Bundesregierung gesicherte Informationen zurückgehalten oder gar manipuliert würden, um womöglich – das sind ja die Verschwörungstheorien – befreundete Regierungen oder gar NATO-Partner zu schützen. Die schleppenden Ermittlungen – fast sechs Monate nach den Explosionen – befördern schon jetzt diverse Spekulationen, Schuldzuweisungen und auch Verschwörungsmythen, worüber in den letzten Tagen wieder in diversen Medien berichtet wurde. Ich wiederhole noch einmal ganz klar: Es darf keine Vertuschung geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe die jüngsten Artikel und Fernsehbeiträge natürlich genau verfolgt und maße mir bei dieser Sachlage derzeit persönlich nicht an, zu beurteilen, welches der geschilderten Szenarien nun wahrscheinlicher ist. Aber es gibt in der Sache sehr viele offene Fragen: Wie kann es sein, dass in den ersten Wochen nach den Anschlägen von Regierung und Geheimdiensten immer wieder betont wurde, dass ein derartiger Anschlag nur von einem staatlichen Akteur durchgeführt worden sein kann und dass dazu nur ganz wenige Länder der Erde imstande seien? Jetzt plötzlich sollen sechs Hanseln mit einer kleinen Segeljacht dafür verantwortlich sein,

(Heiterkeit bei der AfD – Zuruf von der AfD: Ganz genau! – Thomas Ehrhorn [AfD]: Das ist nämlich eine Verschwörungstheorie: die mit den sechs Hanseln!)

wie die „New York Times“ schrieb. Wie wird mit den erheblichen Zweifeln umgegangen, die diverse Experten zu dieser Version äußern, von erfahrenen Kampftauchern über den Bund Deutscher Kriminalbeamter bis hin zu Sprengstoffsachverständigen? Wer hat die finanziellen Mittel für diese Aktion bereitgestellt? Allein beim Sprengstoff geht es womöglich um Mittel in siebenstelliger Höhe. Warum ist die Einrichtung einer gemeinsamen Ermittlungskommission mit Schweden und Dänemark gescheitert? Und schließlich: Warum kommen die Ermittlungen der deutschen Generalbundesanwaltschaft nicht voran, und erhält diese wirklich auch alle Informationen, die die Geheimdienste haben?

All das muss geklärt werden. Die AfD will dazu einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einsetzen. Wir als Linke halten das zumindest zum jetzigen Zeitpunkt für kein geeignetes Mittel. Stand jetzt waren zum Glück keine deutschen Institutionen an den Anschlägen beteiligt. Wen sollen wir da als Zeugen vor den Untersuchungsausschuss laden?

(Tino Chrupalla [AfD]: Den Kanzler oder die sechs Hanseln!)

Ich war elf Jahre meines politischen Lebens in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, zuletzt im NSA-Untersuchungsausschuss, und ich weiß, wovon ich spreche: Potenzielle ausländische Zeugen können wir nicht zur Aussage zwingen. Akten des Generalbundesanwalts werden kaum herausgegeben, solange die Ermittlungen noch laufen. Akten des BND mit möglichen Hinweisen ausländischer Dienste werden erfahrungsgemäß großflächig geschwärzt, solange die Urheber der Infos keine Freigabe erteilen, so unbefriedigend diese Praxis auch ist.

Fazit: Ja, wir brauchen umfassende Aufklärung, gegebenenfalls auch durch eine unabhängige internationale Untersuchungskommission, die in mehreren Ländern agieren kann. Ein nationaler Alleingang hilft uns hier nicht weiter.

(Beifall bei der LINKEN)