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Arbeitsbericht des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung

Rede von Lutz Heilmann,

Lutz Heilmann (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mich treibt eine Frage um: Was bleibt von der Arbeit des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung der zurückliegenden Wahlperiode? Richtig ist, Herr Kollege Miersch darin bin ich mit Ihnen völlig einig , dass wir ein erhebliches Arbeitspensum hinter uns gebracht haben. Wir haben mehrere Anhörungen zu durchaus wichtigen Themen wie Infrastruktur und Demografie oder die Nachhaltigkeitsprüfung durchgeführt.
Richtig ist auch, dass zum ersten Thema ein fraktionsübergreifender Antrag im Verkehrsausschuss vorlag und dass die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien geändert wird, um Gesetzesvorhaben auf Nachhaltigkeit hin zu prüfen.
Ich denke aber, dass das gerade bei dem zweiten Thema nur ein erster Schritt sein kann. Die Diskussion über eine Nachhaltigkeitsprüfung muss fortgesetzt werden.
(Dr. Matthias Miersch (SPD): Völlig richtig!)
Das Gesetzgebungsverfahren muss transparent und für alle Menschen nachvollziehbar werden.
Der Beirat hat Reisen durchgeführt und dabei internationale Kontakte geknüpft. Wir hatten Studenteninitiativen da und haben mit ihnen diskutiert, genauso wie Unternehmerorganisationen. Ich möchte aber nicht den Bericht des Beirats wiederholen, zumal vieles schon erwähnt wurde. Ich möchte vielmehr auf die anfangs gestellten Fragen zurückkommen: Reicht das? Was bleibt? Hat der Beirat einen Beitrag dazu geleistet, dass das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung in der Gesellschaft, der Politik und der Gesetzgebung mehr Eingang fand? Hat der Beirat irgendetwas bewirken können? Schauen wir uns die Praxis an. Zur Erinnerung: Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung umfasst den Ausgleich wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Belange im Hinblick auf die Interessen heutiger und künftiger Generationen. Ich glaube, Herr Kollege Kauch, spätestens an diesem Punkt haben wir ein unterschiedliches Verständnis. Sie denken bei Nachhaltigkeit an Generationenbilanzen und glauben, man könne alles auf Euro und Cent sozusagen ausrechnen. Fragen nach ökologischen und sozialen Belangen haben Sie heute überhaupt nicht gestellt. Hier zeigt sich deutlich, wo Sie stehen.
Gestern wurde ein Antrag im Umweltausschuss beschlossen, auf dem der Name meiner Partei nicht auftaucht. Das hat auch seine Gründe. Sie haben nämlich in der Begründung ausgeführt, dass das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung auf vielen Politikfeldern verankert ist. Ich frage Sie: Auf welchen Politikfeldern ist es denn tatsächlich verankert? Gestern haben wir eine umfangreiche Anhörung zum Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung im Verkehrsausschuss durchgeführt. Unabhängig davon, dass offensichtlich einigen hier im Hause die Umweltauswirkungen völlig gleichgültig sind, ist es ein Unding, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, dass ein von Ihnen benannter Sachverständiger dort öffentlich äußert, auf ein paar Hundert Millionen Euro mehr oder weniger komme es bei diesem Projekt nicht an. Welch ein Verständnis von finanzieller Nachhaltigkeit ist das?
(Beifall bei der LINKEN - Michael Kauch (FDP): Das muss gerade die Linke sagen!)
Offenbar sind Sie eher von den Baukonzernen, die hinter dem Projekt stehen, getrieben als von den Interessen künftiger Generationen, die Sie hier immer so hervorheben. Beachteten Sie dabei die Interessen künftiger Generationen, dann kämen Sie ganz schnell dazu, dieses Brückenprojekt genauso wie es der Umweltminister vor reichlich einem Jahr getan hat als bekloppte Idee zu bezeichnen und ganz einfach zu begraben.
Schauen wir weiter. Nehmen wir die Abwrackprämie. Wollen Sie diese allen Ernstes als Beispiel für eine nachhaltige Politik nennen? Ist es nachhaltig, völlig intakte Autos zu verschrotten? Kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Argument, dass dafür umweltschonende Autos gekauft werden. Die Bundesregierung hat mir als Antwort auf eine Kleine Anfrage schriftlich mitgeteilt, dass überhaupt nicht nach den CO2-Werten der neuen Autos gefragt wird. Insofern können darüber gar keine Aussagen gemacht werden. Ihre Behauptung, es würden hauptsächlich umweltschonende Autos gekauft, stimmt also nicht. Was machen Sie, wenn diese zusätzlichen Wahlkampfmittel ausgegeben sind? Was passiert dann in den Autowerken und den Autohäusern? Ich frage Sie aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Wer hatte denn die Idee der Abwrackprämie? Nach meiner Erinnerung war das Ihr Kanzlerkandidat.
(Dr. Matthias Miersch (SPD): Die IG Metall war nicht ganz unbeteiligt!)
Selbst der Kanzleramtsminister Thomas de Maizière hat in der letzten Beiratssitzung das wurde heute schon öfter angesprochen deutlich gemacht, dass er Zweifel hat, ob die Abwrackprämie einer Nachhaltigkeitsprüfung standgehalten hätte. Ich bitte Sie: Wie sieht denn die Praxis aus?
Als letztes Beispiel das Generationengerechtigkeitsgesetz. Herr Kollege Kauch, ich finde es schon bemerkenswert, dass gerade diejenigen, die den Gesetzentwurf eingebracht haben, im Beirat als neutrale Beobachter eine Stellungnahme abgegeben haben. Mit Ihrem Zwang zum Sparen auf Kosten künftiger Generationen rauben Sie diesen die Zukunft und erhalten sie nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Das sind nur drei Beispiele für eine Politik der letzten vier Jahre, die mit allem zu tun hat, nur nichts mit nachhaltiger Entwicklung.
Von einer Etablierung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung in weitere Politikfelder kann wohl kaum die Rede sein. Warum ist es nicht möglich gewesen, Kollege Scheuer, in den Antrag zu schreiben, dass der Beirat für den Ausgleich sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Interessen steht, so wie wir das angeregt haben? Sie wollten es nicht. So war es. Sagen Sie das doch einfach.
Daher stelle ich noch einmal die Frage: Was bleibt, und was hat der Beirat mit seiner Arbeit tatsächlich geleistet, um die Politik und auch die Gesellschaft nachhaltiger zu machen? Bei genauerem Hinschauen ist die Antwort nicht sehr ermutigend. Ich denke aber, wir sollten den Beirat nicht abschaffen. Bestehende Probleme wurden angesprochen, unter anderem die verspätete Einsetzung. Kollege Weinberg, nicht im April 2006, sondern im Juni 2006 war die konstituierende Sitzung. Ihre Aussage, dass wir ein Jahr verloren haben, war völlig richtig. Ich bin völlig bei Ihnen, dass wir den Beirat früher einrichten sollten, anstatt wieder ein Jahr verstreichen zu lassen.
Der Beirat muss es wirklich schaffen, über einzelne Interessen hinwegzudenken. Fraglich ist allerdings, ob er das angesichts dessen leisten kann, dass er mit Vertretern aus den Fraktionen des Bundestages besetzt wird. Herr Kollege Miersch, da müssen wir gedanklich neue Wege gehen und Nachhaltigkeit als Grundsatz verinnerlichen.
Der Beirat hat die Funktion, das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ins Parlament und in die Gesellschaft zu tragen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da gibt es noch einiges zu tun. Ich bin gerne bereit, das in der nächsten Legislaturperiode wieder in Angriff zu nehmen.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Das war jetzt eine Drohung, oder?)