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Antrag Bündnis 90/Die Grünen: „Bessere Unterstützung für Alleinerziehende" Drs. 16/10257

Rede von Jörn Wunderlich,

Im Antrag sollte es eigentlich um eine Besserstellung Alleinerziehender gehen. Stattdessen bleibt sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen treu und stellt halbherzige Forderungen und unkonkrete Vorschläge in den Raum. Grundlegende Fragen wie zum Beispiel zum Unterhalt werden völlig außen vorgelassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere von den Grünen: „Bessere Unterstützung für Alleinerziehende“ lautet die Überschrift Ihres Antrags. Bei allem Charme, den ihr Antrag versprüht und der in vielen Punkten sicher auch richtig gedacht ist, bleiben einige ihrer Positionen sehr halbherzig und unkonkret. So vermisse ich in Ihrem Antrag Aussagen zur gesamten Unterhaltsproblematik. Ist Ihnen dieses Eisen zu heiß? Oder ist alles zur Zufriedenheit der Betroffenen geklärt? Letzteres dürfte wohl kaum der Fall sein!

Aber, Sie haben ja dem Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts zugestimmt. Das heißt, Sie haben einem Unterhalt und einem Unterhaltsvorschuss, von dem Kinder eben nicht leben können, zugestimmt. Zu unserem Antrag haben sie sich enthalten. Warum wohl? Ich kann Ihnen sagen, warum: Ihnen fehlen bis heute eigene Konzepte zum Unterhaltsrecht, und Sie können sich nicht durchringen, auch einmal unseren Anträgen zu zustimmen. Da frage ich mich schon: Ist das Ihr Verständnis von Besserstellung Alleinerziehender? Immer nur festzustellen, dass zwei Drittel der Väter keinen Unterhalt zahlen oder keinen zahlen können - so die Abgeordnete Krista Sager heute früh hier im Plenum; ich habe zitiert -, löst das Problem jedenfalls nicht.

Auch wenn ich mich jetzt wiederholen sollte, möchte ich die zwei Aussagen aus dem Antrag der Grünen wiederholen, weil sie mir für die Diskussion sehr wichtig erscheinen. Erste Aussage: Die Zahl der Einelternfamilien wächst in Deutschland seit Jahrzehnten beständig. 2005 gab es rund 15 Prozent mehr Alleinerziehende als 1996. Zweite Aussage: Heute wird nahezu jedes siebte Kind in den alten und jedes fünfte Kind in den neuen Bundesländern von einem Elternteil allein erzogen.

Da muss man sich schon fragen: Warum werden diese Familien nicht von der gegenwärtigen Familienpolitik erfasst, sondern brauchen eigene „Sondervorschriften“? Man kann doch Alleinerziehende, welche durch die soziale Kluft der Regierungspolitik betroffen sind, nicht wie Kranke behandeln. Aber da stimmen Sie ja den Gesetzen der Koalition zu, sehenden Auges, dass große Gruppen der Bevölkerung ausgegrenzt werden.

In der Haushaltsdebatte der vergangenen Woche habe ich mit Nachdruck darauf verwiesen, dass sich durch die Familienpolitik der Bundesregierung eine tiefe Kluft zieht. Besserverdienende werden gefördert, und Alleinerziehende sowie Familien mit geringem Einkommen haben das Nachsehen. Warum können nicht wenigstens Sie unsere und die breite Kritik der Öffentlichkeit, der Wohlfahrtsverbände sowie der Betroffenen zur Kenntnis nehmen, dass es den gesamten Gesetzgebungsverfahren stets an der sozialen Ausgestaltung mangelt? Ich nenne einige Beispiele: die soziale Ausgestaltung des Elterngeldes, die Kürzung des Kindergeldbezuges, die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Besteuerung von Erzeugnissen für Kinder.

Einige Worte zum Kinderzuschlag. Richtig ist, das er unter Rot-Grün in die Diskussion gebracht wurde. Was sie jedoch nicht erwähnen: Der Kinderzuschlag grenzt mit den Alleinerziehenden genau die Gruppe der Familien mit der höchsten Armutsgefährdung massiv aus. 50 Prozent aller Kinder in Hartz IV leben in Alleinerziehendenhaushalten, und bis vor kurzem betrug der Anteil der Alleinerziehenden beim Kinderzuschlag 7 Prozent, demnächst soll er auf 13 Prozent steigen.

Sie fordern eine Weiterentwicklung des Kinderzuschlags; dem entsprechenden Gesetz der Koalition haben Sie aber zugestimmt. Jetzt passt es Ihnen offensichtlich nicht mehr und Sie stellen Forderungen auf, die wir Linke schon beantragt haben, die von Ihnen aber abgelehnt wurden. Soviel zur Glaubwürdigkeit Ihres Antrags.

Gleiches trifft auf die im Antrag genannten Arbeitsbedingungen zu. Es ist richtig, dass die meisten Alleinerziehenden ihren überwiegenden Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit verdienen. Für die Mehrheit der Alleinerziehenden - und das belegen sozialwissenschaftliche Studien - ist die eigene Erwerbstätigkeit die wichtigste Einkommensquelle; nachzulesen auf der Homepage des Vereins der alleinerziehenden Mütter und Väter, VAMV.

Warum Sie allerdings vor zwei Tagen im Familienausschuss dem Antrag der Linken, welcher genau diese Forderungen enthielt, nicht zugestimmt haben, ist für mich nicht nachvollziehbar. Hier wird mit genau der Doppelzüngigkeit argumentiert, welche Sie der Koalition immer vorwerfen: heute die Forderungen stellen, welche Sie gestern noch abgelehnt haben. Schade und beschämend, dass dies auf dem Rücken der Alleinerziehenden ausgetragen wird!

Ich denke, hier sollten ideologische Vorurteile mal zurücktreten. Wir sollten gemeinsam für die Alleinerziehenden wirklich etwas bewegen. Zeit wird es allemal. Ich freue mich auf die Ausschusssitzung, danke für die Aufmerksamkeit und wünsche uns einen erfolgreichen Sonntag.