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Angriffskriege verbieten!

Rede von Paul Schäfer,

Sehr geehrte Damen und Herren,
Ende November hat der Bundestag einstimmig der im Juni 2010 in Kampala vereinbarten Änderung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs zugestimmt. Damit haben die Mitgliedstaaten einen wichtigen Schritt getan, den Tatbestand der Aggression im Völkerstrafrecht tatsächlich strafbar zu machen.

Leider haben immer noch nicht alle Staaten der Welt die Statuten des Internationalen Strafgerichtshofes unterzeichnet und ratifiziert. Und wann und ob die Ratifizierung der jüngsten Änderungen durch 30 der Unterzeichnerstaaten erfolgen wird, ist noch offen. D.h. frühestens 2017 werden die Änderungen in Kraft treten.

Dies soll uns hier im Bundestag nicht davon abhalten, zumindest für Deutschland den nächsten Schritt zu gehen. Wir waren uns alle einig – sogar bis hin zur CDU/CSU – dass Angriffskriege zu ächten sind und dass die Verantwortlichen für Angriffskriege zur Rechenschaft gezogen werden müssen.

Das ist schließlich auch ein Vermächtnis der deutschen Geschichte, der Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur und der Erfahrungen in den Nürnberger Prozessen. Unser Grundgesetz hat in Artikel 26 Absatz 1 klare Vorgaben gemacht: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen“.

Willy Brandt – zumindest wird ihm das von vielen zugeschrieben - hat diese Überzeugung noch umfassender auf den Punkt gebracht: „Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen“. Das ist leider noch eine Utopie. Zumindest bezogen auf den Angriffskrieg könnte man jetzt Nägel mit Köpfen machen. Und die jüngere Geschichte hat leider gezeigt, wie notwendig dies immer noch ist. Die NATO hatte 1999 ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats Jugoslawien angegriffen. 2003 erfolgte mit passiver Unterstützung der Bundesregierung der Angriff der USA auf den Irak.

Bislang nehmen wir hier in Deutschland eine Lücke hin: Im Strafgesetzbuch §80 steht zwar immerhin, dass die Vorbereitung von Angriffskriegen verboten ist. Dort steht aber nicht, dass auch das Führen von Angriffskriegen von Deutschland aus verboten ist. Dabei handelt es sich nicht um Sophisterei sondern um eine nüchterne Zusammenfassung. Das zeigt eine Episode aus dem Jahr 2006:

In Reaktion auf eine Strafanzeige gegen Mitglieder der rot-grünen Bundesregierung wegen Beihilfe zum von den USA angeführten Angriffskrieg gegen den Irak 2003 teilte der damalige Generalbundesanwalt Nehm – also die oberste Strafverfolgungsbehörde in Deutschland – mit – ich zitiere aus seinem Schreiben vom 21. Januar 2006 -, dass "nur die Vorbereitung an einem Angriffskrieg und nicht der Angriffskrieg selbst strafbar" sei, "so dass auch die Beteiligung an einem von anderen vorbereiteten Angriffskrieg nicht strafbar ist".

Demgegenüber hatte das Bundesverwaltungsgericht im Fall der Gehorsamsverweigerung eines Bundeswehr-Majors im Urteil vom 21. Mai 2005 klargestellt, dass „wenn ein Angriffskrieg jedoch von Verfassung wegen bereits nicht ‚vorbereitet‘ werden darf, so darf er nach dem offenkundigen Sinn und Zweck der Regelung erst recht nicht geführt oder unterstützt werden". Es besteht also immer noch eine Differenz zwischen der Auslegung des Grundgesetzes Art. 26 und der entsprechenden Passage im Strafgesetzbuch.

Es sollte eine Selbstverständlichkeit für uns alle sein, diese Lücke zu schließen. Aus diesem Grund bringen wir heute einen entsprechenden Antrag ein.

Unser Ansatzpunkt ist klar:

Erstens, auch wenn die Vereinbarung von Kampala ein wichtiger Schritt war, sollte Grundlage für die strafrechtliche Ausformulierung in Deutschland die umfassende Angriffsdefinition sein, die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1974 festgelegt worden ist. Sie beruht auf einer breiteren demokratischen Legitimationsbasis und sie ermöglicht eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Definition des Angriffskrieges – was insbesondere im Zeitalter des „Kriegs gegen den Terrorismus“ und der „humanitären bewaffneten Interventionen“ dringend geboten scheint.

Zweitens ist es wichtig, dass die strafrechtliche Verfolgung nicht auf die oberste Führungsebene beschränkt wird, sondern auch die unteren Ebenen zur Rechenschaft gezogen werden können. Das entspricht dem Leitbild des mündigen Staatsbürgers in Uniform und den Vorgaben der §§ 10 und 11 des Soldatengesetzes zu Pflicht, Recht und Gehorsam.

Lassen Sie uns in den Ausschüssen gemeinsam und konstruktiv darüber beraten. Eine positive Einigung würde dem Bundestag gut anstehen.

Die Rede wurde zu Protokoll gegeben.