Zum Hauptinhalt springen

André Hahn: Medaillen dürfen nicht vorrangiger Maßstab für Sportförderung sein

Rede von André Hahn,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn die Umsetzung der Spitzensportreform genauso läuft wie die derzeitige Zusammenarbeit von Bundestag, Bundesregierung, Bundesländern und dem organisierten Sport, dann ist der Abstieg in die Regionalliga vorprogrammiert.

Am 28. September 2016 stellten Innenminister de Maizière und DOSB-Präsident Hörmann dem Sportausschuss nach monatelangen Geheimverhandlungen ohne vorherige gesellschaftliche Debatte ihr Konzept zur Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung vor. Anfang Dezember stimmte der DOSB auf seiner Mitgliederversammlung diesem Konzept bei nur einer Gegenstimme zu, obwohl das Papier zuvor massiv in der Kritik stand

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und immer noch steht!)

und auch unvollständig war. Das Grummeln vieler Verbände war unüberhörbar, und manche haben wohl allein deshalb zugestimmt, weil ihnen von der Bundesregierung mehr Geld in Aussicht gestellt worden ist.

Genau dieses Geld fließt nun erst einmal nicht. Die DOSB-Spitze hat sich über den Tisch ziehen lassen. Aufgrund der anstehenden Neuwahlen und der folgenden Koalitionsverhandlungen wird über den Haushalt für 2018 erst im kommenden Jahr entschieden.

(Matthias Schmidt [Berlin] [SPD]: Aber es läuft doch!)

Das ist nicht nur mit Blick auf die Olympischen Winterspiele im nächsten Februar problematisch, sondern beeinträchtigt auch die Vorbereitungen auf Tokio 2020.

Trotz Forderungen von ursprünglich allen Fraktionen, den Sportausschuss aktiv in den Diskussionsprozess einzubeziehen, bekommen wir von der Bundesregierung bis heute nur häppchenweise Informationen und erfahren alles Weitere aus den Medien.

Die vorliegenden Anträge sollten am 18. Mai eigentlich ohne Debatte in den Sportausschuss überwiesen werden. Nur weil die Linke dem widersprach,

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur die Linke!)

gab es eine erste Lesung im Plenum, wenn auch nur durch nach Mitternacht zu Protokoll gegebene Diskussionsbeiträge. Dann nahm sich der Sportausschuss nicht einmal 15 Minuten Zeit, um die beiden Anträge in seiner Sitzung am 31. Mai zu beraten. Die Spitzenverbände des DOSB tagten schließlich mit dem Bundesinnenministerium und den Innenministerien der Länder zur weiteren Umsetzung der Reform am 21. und 22. Juni.

Am Abend gab es ein Wahlhearing und einen Parlamentarischen Abend des DOSB, auf dem Präsident Hörmann und Minister de Maizière die anwesenden Abgeordneten über einige Ergebnisse der Beratungen informierten, insbesondere über die sich abzeichnenden, womöglich jahrelangen Verzögerungen bei der Einführung des einst als Wundermittel gepriesenen Potenzialanalysesystems, PotAS, mit dem künftige Olympiasieger durch Computerprogramme herausgefiltert werden sollen.

Der vorerst letzte Akt in diesem Schauspiel war die Sitzung des Sportausschusses am 28. Juni. Der Antrag der Linken, die Tagesordnung um den Punkt Spitzensport­reform mit einem Bericht des Bundesinnenministeriums zu den jüngsten Entwicklungen zu erweitern, wurde von der Koalition abgelehnt. Dabei soll dieses Konzept für viele Jahre die Grundlage für den Spitzensport und dessen Förderung durch Bund und Länder sein. So kann man mit dem Parlament nicht umgehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ganz ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und SPD: Dass Sie dieses Spiel mitmachen oder sich gefallen lassen, enttäuscht mich zutiefst.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wundert dich das?)

Auch wenn für die Linke der Breiten-, Schul- und Gesundheitssport im Mittelpunkt der Sportpolitik steht, stellen wir den Leistungs- und Spitzensport nicht zur Disposition. Wir begrüßen auch das grundsätzliche Ansinnen, die Spitzensportförderung neu zu strukturieren. Das vorgelegte Konzept halten wir aber nach wie vor in mehrfacher Hinsicht für äußerst problematisch. Es fehlen wichtige Bestandteile wie beispielsweise die finanzielle Untersetzung. Nicht akzeptabel sind auch die prekäre Personalsituation sowie die Bezahlung der Trainerinnen und Trainer. Weiterhin völlig unzureichend sind die Möglichkeiten für eine duale Karriere von Spitzensportlern.

Was die Trainer angeht: Wer Weltspitze hervorbringen und betreuen soll, der muss auch ordentlich bezahlt werden: ein Bundestrainer mindestens wie ein Gymnasiallehrer, ein Cheftrainer mindestens wie ein Schulleiter. Davon sind wir in einigen Sportarten leider meilenweit entfernt.

(Beifall bei der LINKEN)

Schließlich muss auch die aus Sicht der Linken nicht akzeptable Fixierung auf Medaillen bei Paralympics und Olympischen Spielen korrigiert werden. Sie darf aus unserer Sicht nicht vorrangiger Maßstab für die Sportförderung von Bund, DOSB und Deutscher Sporthilfe sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Letzte Bemerkung: Es bleibt die Hoffnung, dass nach der Bundestagswahl mit anderen Mehrheiten und deutlich mehr Druck aus den Reihen des organisierten Sports, vor allem vonseiten der Athletinnen und Athleten, ein wirklich zukunftsfähiges Spitzensportförderkonzept entsteht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)