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Alternativen zur Y-Trasse vorantreiben

Rede von Herbert Behrens,

Rede zu Protokoll, Do., 8. November 2012, TOP 29. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Sven-Christian Kindler, Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN Anbindung deutscher Seehäfen verbessern – Alternativen zur Y-Trasse vorantreiben > Drucksache 17/11352

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident,

sehr geehrte Damen und Herren,

Herr Verkehrsminister, sie haben jüngst erklärt, die Verbesserung der Hafenhinterlandanbindung stehe ganz oben auf ihrer Prioritätenliste. Auch Sie haben offensichtlich erkannt, dass die Steigerung des Güterumschlags in den deutschen Häfen letztlich von der Schiene aufgefangen werden muss und dringender Investitionsbedarf in die Bahninfrastruktur besteht. In diesem Punkt sind wir uns ausnahmsweise einig. Dass Sie immer noch der Meinung sind, mit einem Großprojekt wie der Y-Trasse die Kapazitätsengpässe auf der Schiene beheben zu können, kann bei der Linksfraktion jedoch nur Kopfschütteln hervorrufen.
Wir reden hier über ein Projekt, dass längst seinen Rückhalt verloren hat – wenn es diesen jemals gegeben hat. Die Deutsche Bahn stellt die Trasse mittlerweile grundlegend in Frage, die Verkehrsverbände haben sich eindeutig gegen das Projekt ausgesprochen und bei den Menschen in Niedersachsen stieß sie nie auf Gegenliebe.
Warum ist dem so? Ich kann es Ihnen sagen: das Projekt Y-Trasse löst keines der akuten verkehrspolitischen Probleme, sondern steht einem sachgerechten und vor allem umgehenden Ausbau der Bahninfrastruktur im Wege.
Selbst für einen Laien ist unmittelbar erkennbar, dass eine auf Hochgeschwindigkeitsverkehr ausgelegte Trasse wohl kaum Kapazitäten für die Aufnahme von Güterverkehren vorhalten kann. Diese für sie unliebsame Wahrheit wurde gleich durch mehrere verkehrswissenschaftliche Analysen bestätigt. Wer also behauptet, dass auf einer Hochgeschwindigkeitstrasse auch riesige Gütermengen transportieren werden können, betreibt schlicht Etikettenschwindel.
Der Klarheit in Bezug auf den verkehrstechnischen Nutzen der Y-Trasse steht eine völlige Ungewissheit bezüglich der zu erwartenden Kosten gegenüber. Die im Bundesverkehrswegeplan von 2003 errechneten Kosten von 1,3 Mrd. Euro sind nicht mal ein grober Richtwert. Eine Trasse, die sowohl Personenfernverkehr als auch Güterverkehre aufnehmen kann, kostet mindestens das dreifache. Das Umweltbundesamt hat hierfür bereits 2010 knapp 4 Mrd. Euro veranschlagt. Dies können sie nicht wegdiskutieren.

Völlig unklar ist auch, wann die Y-Trasse denn ans Netz gehen und den von Ihnen unterstellten Kapazitätseffekt entfalten könnte. Genau genommen liegt nicht einmal eine landesplanerische Feststellung vor, da hier eine reine Personenverkehrsverbindung projektiert wurde. Bis alle Planungsebenen durchlaufen sind und vor allem Geld aus dem bis 2020 ausgelasteten Investitionsetat bereitsteht, könnten noch Jahrzehnte ins Land gehen.

Die schienenseitige Hinterlandanbindung der Seehäfen muss jedoch sofort verbessert werden, denn durch die Eröffnung des Jade-Weser-Ports wird der Druck auf die ohnehin schon ausgelasteten Schienenverbindungen zukünftig beträchtlich steigen.
Die Y-Trasse ist ein verkehrspolitisches Fossil, das Milliarden verschlingt und zudem in absehbarer Zeit nicht zu realisieren ist. Dies wird auch im Antrag der Grünen völlig zu recht angemahnt. DIE LINKE. unterstützt daher den Vorstoß, Alternativplanungen zur Y-Trasse unter umfassender Bürgerbeteiligung voranzutreiben.

DIE LINKE. Landtagsfraktion in Niedersachsen hat bereits im November 2008 eine Studie mit einem umfangreichen Gegenkonzept zur Bewältigung des Seehafen-Hinterlandverkehrs vorgestellt.

Wir fordern seit Jahren, dass durch die Ertüchtigung des Bestandsnetzes und den gezielten Ausbau der Knotenbahnhöfe das Schienenverkehrsnetz schrittweise dem Bedarf angepasst wird. Diese Herangehensweise ist viel flexibler, zeitsparender und nicht zuletzt weit weniger kostenintensiv, als mit aller Macht an einem „Alles-oder-Nichts-Projekt“ wie der Y-Trasse festzuhalten. Der Antrag der Grünen geht auch an dieser Hinsicht genau in die richtige Richtung und findet unsere volle Unterstützung.
In einem Punkt sind wir jedoch entschiedener als die Grünen: wir wollen die weiteren Planungen für die Y-Trasse nicht nur Ruhen zu lassen, sondern ein für alle mal zu beenden. Die im Planungsprozess für dieses Großprojekt gebundenen Mittel müssen sofort freigesetzt werden. Es wurden viel zu lange personelle wie finanzielle Planungskapazitäten für dieses antiquierte Projekt gebunden. Nur ein konsequenter Schnitt kann den Weg für eine schnelle Planung und Umsetzung der notwendigen Infrastrukturmaßnahmen frei machen.
Um den Herausforderungen eines wachsenden Güterverkehrsaufkommens gerecht zu werden, muss Verkehrsinfrastruktur endlich integriert geplant werden. Ohne schlüssiges Gesamtkonzept, welches effektive Einzelmaßnahmen bündelt, ist der Kollaps der norddeutschen Schienenwege vorprogrammiert.

Herr Verkehrsminister, es liegt in Ihren Händen, diesen Kollaps noch abzuwenden. Dabei möchte ich Ihnen eines mit auf den Weg geben:
Als die Y-Trasse geplant wurde, gab es noch zwei deutsche Staaten, die durch den eisernen Vorhang getrennt wurden. Es an der Zeit, sich von diesem Projekt zu verabschieden und verkehrspolitisch im vereinigten Deutschland anzukommen!