Rede von Heidrun Bluhm, bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zur aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE mit dem Titel „Haltung der Bundesregierung beim Verkauf der TLG“.
Heidrun Bluhm (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist auch politisch korrekt oder moralisch vertretbar. Dabei hat vor allem der Bund eine entsprechende Vorbildwirkung. Im Zusammenhang mit dem Verkauf der TLG Wohnen GmbH und auch der TLG Gewerbe GmbH haben wir über Kleine Anfragen Dinge herausgefunden, die hier öffentlich vorgetragen werden müssen.
Meine Kritik geht im Wesentlichen in drei Richtungen. Der erste und für die Mieterinnen und Mieter sicherlich wichtigste Punkt ist: Die vielgerühmte Sozialcharta, die mit der TAG Immobilien AG vereinbart worden ist, ist keinen Pfifferling wert.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie schützt vor allem nicht vor Mieterhöhungen. Wir sehen schon jetzt an ganz konkreten Beispielen wiein Dresden, dass eine Wohnung nach der Weitervermietung 25 Prozent teurer ist, obwohl sich an der Wohnung selber nichts verändert hat. Genau das wollten wir verhindern, als es um die Privatisierung ging; aber es ist nun so eingetreten. Das muss sich die Regierung vorwerfen lassen.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der zweite Punkt ist der Skandal um die Grunderwerbsteuer und die Verkaufserlöse. Der Bund hat offenbar ganz bewusst
(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Auf Steuereinnahmen verzichtet! Ganz bewusst!)
– so jedenfalls muss man das aus den Antworten der Bundesregierung auf unsere Anfragen herauslesen – bei beiden Verkäufen Share Deals gewählt, um möglichst viel Geld zum Löcherstopfen für den Haushalt herauszuschlagen, und zwar auf Kosten der ostdeutschen Bundesländer, die um insgesamt 80 Millionen Euro Grunderwerbsteuer gebracht worden sind.
(Zuruf von der LINKEN: Skandal!)
Die ostdeutschen Bundesländer werden also ein zweites Mal über den Tisch gezogen. Denn nachdem sich die Bundesrepublik zum ersten Mal die Immobilien einverleibt hat, ohne selber einen roten Heller dafür zu zahlen, wird sie jetzt ein zweites Mal ein Geschäft damit machen, indem sie diese Verkaufsform gewählt, sich selbst die Kassen gefüllt und die Bundesländer, die diese Wohnungen als öffentliche Wohnungen verloren haben, um 80 Millionen Euro geprellt hat.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das ist ja unglaublich! Das war Land, das die SED enteignet hat!)
Ob die Bundesregierung damit durchkommt, wird sich noch zeigen.
Der andere Teil dieses Skandals ist der Verkaufserlös. Die Bundesregierung hat die gewählte Art des Verkaufs auch damit begründet, dass man bei einem Unternehmensverkauf mehr erzielen könne als bei einer Immobilienveräußerung im Einzelnen. Was aber hat sie zuwege gebracht? Ein bewusstes Verschleudern von öffentlichem Eigentum weit unterhalb des Verkehrswertes. Die Bundesregierung hat den Verkehrswert bei der TLG Unternehmen mit insgesamt 1,858 Milliarden Euro angegeben, bevor der Verkaufsvorgang in Angriff genommen wurde. Offenbar hat sie dabei mit dem Zwölffachen der jeweiligen Jahresmiete gerechnet. Verscherbelt hat sie das ganze Paket aber für 1,571 Milliarden Euro, also 287 Millionen Euro unter dem Verkehrswert. Es waren aber keine Schrottimmobilien, die verkauft worden sind, sondern Wohn- und Gewerbeimmobilien zum großen Teil in besten Lagen, in gutem Zustand, mit einem hohen Vermietungsstand und vor allem durchsaniert. Es bestand also angesichts der Nachfragesituation auf dem deutschen Immobilienmarkt überhaupt keine Notwendigkeit, private Investoren auf diese Weise zu beschenken.
Da die Bundesregierung sich in dem ganzen Verfahren und in ihren Antworten auf unsere Kleinen Anfragen so gern auf das europäische Beihilferecht beruft, ist jetzt nicht nur zu fragen, ob dieser Verkauf nach der Bundeshaushaltsordnung zulässig war, sondern auch, ob ein Verstoß gegen das europäische Beihilferecht vorliegt. Das verbietet nämlich den Verkauf öffentlichen Eigentums unterhalb des Verkehrswertes.
(Iris Gleicke [SPD]: Sehr richtig!)
Auch in der Bundeshaushaltsordnung heißt es in § 63 Abs. 3 Satz 1, dass Beteiligungen des Bundes nur zu ihrem vollen Verkehrswert veräußert werden dürfen.
Der dritte Punkt – das ist der Punkt, den wir hauptsächlich ankreiden – ist die offensichtliche Kungelei zwischen dem Finanzministerium, der Barclays Bank und der TAG. Die Bundesregierung heuerte die Barclays Capital Bank als Transaktionsberaterin für die Privatisierung der TLG-Unternehmen an und honorierte sie dafür. Barclays versicherte dafür hoch und heilig, dass sie ausschließlich für die Verkäuferseite handele und für niemanden sonst. Das tat sie aber nicht. Die Barclays Bank verschaffte der TAG innerhalb des Bieterverfahrens die finanziellen Mittel, damit sie sich überhaupt beteiligen konnte. Eine Bank tut so etwas nicht umsonst, sondern lässt sich dafür ebenfalls honorieren. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage geht Folgendes hervor:
Nur durch eine Beteiligung der Barclays Bank PLC an dem Bankenkonsortium war es den Erwerbergesellschaften aus dem Konzern der TAG Immobilien möglich, sich … gegenüber dem Bund zur Zahlung des Kaufpreises zu verpflichten.
Mit anderen Worten: Ohne diese Beteiligung der Barclays Bank hätte die TAG keine Transaktionssicherheit nachweisen können und hätte am Bieterverfahren nicht weiter teilnehmen dürfen. Die Bundesregierung hat von diesem doppelten Spiel nicht nur gewusst. Sie hat es auch aktiv befördert.
Zur Krönung des Ganzen will uns die Bundesregierung auch noch weismachen, dass dieses Geschäftsgebaren keine Verletzung der Prinzipien eines strukturierten Bieterverfahrens bedeutete, weil zwischen den Teams innerhalb der Barclays Bank eine sogenannte Chinese Wall bestanden habe. Für wie dumm wollen Sie uns eigentlich verkaufen? Chinesische Mauern waren vielleicht beeindruckend, als die Menschen noch mit Pfeil und Bogen aufeinander losgegangen sind und die Kommunikation über Brieftauben und Rauchzeichen verlief. Aber heute? Kennen Sie eine Bank, die bei einem dreistelligen Millionenengagement nicht ganz genau wissen will, welche Farbe die Blümchen auf den Socken des Erwerbers haben?
Dieser Verkaufsvorgang der TLG Immobilien mag vielleicht rechtlich möglich gewesen sein. Aber ganz sicher war er politisch nicht zu verantworten und gegenüber den mit verkauften Mieterinnen und Mietern moralisch nicht vertretbar.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Heidrun Bluhm (DIE LINKE):
Mein letzter Satz. – Jeder Privatperson hätten Sie die Steuerfahndung auf den Hals gehetzt, wenn diese Gleiches getan hätte.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)