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Alexander S. Neu: Sea Guardian – Bundeswehreinsatz ohne Ende

Rede von Alexander S. Neu,

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Wir reden über die NATO-Mission Sea Guardian, die gefühlt hundertste Verlängerung dieser Mission. Woher kommt dieses Gefühl? Auslandseinsätze dauern nachweislich länger als ursprünglich vorgegeben und sind maßgeblich teurer als ursprünglich vorgegeben, zum Beispiel der NATO-Einsatz in Afghanistan und der ­NATO-Einsatz im Mittelmeer. Resolute Support in Afghanistan, vormals ISAF, begann 2001. Sea Guardian, die Fortsetzung der Mission Operation Active Endeavour, begann 2003. Diese beiden Einsätze sind Musterbeispiele für Auslandseinsätze der Bundeswehr, die nicht enden sollen, da es zumindest eine zweite Agenda gibt, nämlich eine geopolitische Agenda. Die Bundesregierung begründet die Sea-Guardian-Mission mit der Notwendigkeit des Antiterrorkampfes und der präventiven Maßnahme gegen Krisenentwicklung im Mittelmeer.

Ein paar Anmerkungen zum Thema Antiterrorkampf im Mittelmeer. Zwar haben Sea Guardian und die Vorgängeroperation Operation Active Endeavour nie Waffenschmuggel oder Ähnliches aufgedeckt. Aber die NATO will im Mittelmeerraum operativ tätig bleiben und dort dominieren. Es gibt nicht die geringste Spur eines Selbstzweifels in der NATO, der Europäischen Union oder ihren Mitgliedstaaten, inwieweit sie die Instabilitäten in Nordafrika und den Terrorismus selbst mit erzeugt haben oder mit erzeugen, Stichworte „Libyen“ und „Syrien“.

Zur Begründung präventiver Maßnahmen gegen Krisenentwicklungen. In der Begründung des Antrags der Bundesregierung geht es darum, „Krisenentwicklungen im maritimen Umfeld ... frühzeitig zu erkennen“. Krise als Operationsobjekt ist hypothetisch dargelegt, aber nicht konkret. Krise kann sich entwickeln, muss aber nicht notwendigerweise entstehen. Somit sind militärische Maßnahmen gegen hypothetische Krisen in der Logik der Befürworter eines solchen sicherheitspolitischen Verständnisses ohne zeitliche und räumliche Begrenzung, sehr geehrte Damen und Herren. Mit dieser Begründung wird das wahre Ziel der NATO deutlich. Es geht um expansive Raumkontrolle der NATO und der Europäischen Union. Frau Ministerin, Sie haben das gerade gesagt: komplette Aufklärung im Mittelmeer. Man möchte auf der Hohen See im Mittelmeer so operieren wie auf den eigenen Hoheitsgewässern. Die Hohe See des Mittelmeeres soll zum Küstenmeer der NATO und zum Küstenmeer der EU degradiert werden. Das ist klassische Imperialpolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie sonst ist zu erklären, dass über einen längeren Zeitraum NATO und Europäische Union ihre Präsenz im und die Kontrolle über das Mittelmeer systematisch ausbauen? Es handelt sich hier derzeit um vier Missionen: Sea Guardian, UNIFIL, EUNAVFOR MED und Ägäis-Einsatz – Letzterer ohne Bundestagsmandat. Sea Guardian umfasst die Kontrolle über das gesamte Mittelmeer, dessen Zugänge und, das Einverständnis der Anrainer vorausgesetzt, auch die Territorialgewässer sowie den dazugehörigen Luftraum, also die komplette Kontrolle.

Als eine weitere Aufgabe von Sea Guardian wird die Unterstützung der Mission Sophia benannt, also die Bekämpfung des Menschenschmuggels. Ich finde, der Begriff „Bekämpfung des Menschenschmuggels“ ist ein schändlicher Euphemismus für „militarisierte Flüchtlingsabwehr“.

(Beifall bei der LINKEN)

Unser Fazit ist: Unter dem Deckmantel „abstrakte und konkrete Terrorgefahr“ und „abstrakte Gefahr von Krisenentwicklungen“ werden Raumkontrolle und militarisierte Flüchtlingsabwehr organisiert. Geopolitik ist die Sicherheitspolitik des 19. und 20. Jahrhunderts mit den entsprechenden Folgen. Man hat aus der Vergangenheit nicht gelernt. Militarisierte Flüchtlingsabwehr ist einfach nur menschenverachtend.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Linke wird diese Mission ablehnen.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)