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Agrarwende zugunsten der Armen statt Innovationen zugunsten der Konzerne!

Rede von Hüseyin Aydin,

Meine Damen und Herren,

der uns vorliegende Antrag der FDP schlägt vor, mit Biotechnologie den Hunger der Welt zu bekämpfen. Armut soll durch die Züchtung neuer Pflanzen gemindert werden. Durch höheren Mineralien- und Ölgehalt soll Unterernährung bekämpft werden. Neue Züchtungen - so meint die FDP - retten die Welt.

Nun - auch Ihnen ist inzwischen hoffentlich einiges klarer geworden. Das einzige, was ich Ihnen zugute halten kann an diesem Antrag, ist, dass er veraltet ist. Auch Sie von der FDP dürften inzwischen begriffen haben, dass wir zur Beseitigung des Hungers in der Welt ganz anderer Lösungen bedürfen. Ich helfe Ihnen auf die Sprünge. Lassen Sie uns gemeinsam die einzelnen Punkte noch einmal durchgehen:

1) Die Ursachen des Hungers

Laut Schätzungen der Weltbank ist die Anzahl der Hungernden zwischen 2005 und 2007 von 848 auf 967 Millionen angestiegen. Die Ursachen dafür wurden hier bereits vielfältig besprochen. Es ist mittlerweile unbestritten (außer anscheinend von Ihnen), dass es mehr als genug Nahrung für alle auf der Welt gibt. Laut der UN-Ernährungsorganisation FAO reicht die vorhandene Nahrungsmittelproduktion zur Ernährung von 12 Milliarden Menschen aus.

Die Ernährungskrise hat strukturelle Ursachen, die auf politische Fehlentscheidungen, verfehlte Agrar-, Handels- und Finanzpolitik zurückzuführen sind. Die Liberalisierungspolitik und die Marktöffnung für Agrarprodukte haben dafür gesorgt, dass lokale Märkte im Süden zerstört wurden. Die Exportsubventionen haben zu Dumpingpreisen von EU-Produkten geführt. Der kleinbäuerliche Sektor wurde über Jahrzehnte vernachlässigt. Subsistenzlandwirtschaft wurde belächelt, vor allem von Ihnen.

2) Die Risiken des Anbaus von genmanipulierten Pflanzen

Die potentiellen Gefahren des Anbaus von genmanipulierten Pflanzen im Freiland sind noch ungeklärt und mannigfaltig. Die Pflanzen können sich unkontrolliert in nahe Verwandte auskreuzen, die Debatte über transgenen Mais oder Raps hat das Problem aufgezeigt. Eine ungewollte Ausbreitung von gentechnischen Veränderungen ist folglich nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich. Wenn Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel gefährden Ökosysteme und kann letztendlich zu mehr Pestizidverbrauch führen. Bei der Wechselwirkung von veränderten Pflanzen mit bestäubenden Insekten und bei Anreicherungen von Fremdsubstanzen wurden ebenfalls negative Auswirkungen auf das Bodenleben beobachtet. Unumstritten ist der Zusammenhang von Agro-Gentechnik und der Verminderung der Artenvielfalt.

Biodiversität ist ein bedrohtes öffentliches Gut und muss erhalten werden, wenn wir unsere Umwelt lebenswert für die Zukunft bewahren wollen.

3) Biotechnologie als Instrument im Kampf gegen Hunger

Vor den Auswirkungen gentechnisch veränderten Saatguts vor allem in Entwicklungsländern wird von Expertinnen und Experten eindringlich gewarnt. Selbst die GTZ bezweifelt die Wirksamkeit gentechnischer veränderter Organismen gegen den Hunger in Entwicklungsländern. Wie Prof. Rauch in seinem Statement zur Anhörung, die gestern stattfinden sollte, sagt: „Gentechnik impliziert die Abhängigkeit von gut funktionierenden Agrardiensten. In ländlichen Regionen mit schwachen Institutionen ist eine - für Bauern lebensentscheidende - rechtzeitige alljährliche Versorgung mit Saatgut nur schwer zu gewährleisten.“

Kleinbetriebe begeben sich durch die aggressive Patentierungspolitik der Saatgutkonzerne und die Lizenzgebühren in eine Schuldenfalle, aus der sie nicht mehr herauskommen. Das manipulierte Saatgut ist teuer und darf nur unter Zahlung einer Gebühr nachgebaut werden. Damit entfällt ein uraltes Recht und ein selbstbestimmter Freiraum der Bäuerinnen und Bauern. Zurzeit werden 80 Prozent des Getreides in den Entwicklungsländern aus Samen der letzten Ernte angebaut. Auf der anderen Seite kontrollieren 10 Konzerne gegenwärtig 85 Prozent des Marktes an gentechnisch veränderten Nutzpflanzen. Und sie verdienen gut. Zum einen an den Patenten und Lizenzgebühren und zum anderen an den jeweils speziell benötigten Pflanzenschutzmitteln, ohne die das System nicht funktioniert. Kleinbäuerinnen und Kleinbauern können hier nur verlieren.

Von Biotechnologien in der Landwirtschaft profitieren nur großflächige Landwirtschaftsbetriebe und die Agrar-Konzerne. Die Gefahren für Mensch und Umwelt sind absolut ungeklärt und extrem risikobehaftet. Die Ernährungssouveränität aller Länder kann mittels Agrarreformen zugunsten armer und kleinbäuerlicher Betriebe und Förderung von ökologisch nachhaltiger Landwirtschaft gesichert werden. Verbesserter Zugang zu Land, Landreformen und bessere Bewässerungssysteme können die Ernten um 50 Prozent wachsen lassen. Die Sicherung lokaler Märkte muss klar Vorrang vor Exportlandwirtschaft haben. Das bezieht sich sowohl auf Exporte von Lebensmitteln, Futter oder Agroenergie.

Wir halten eine dauerhafte und anhaltende Lösung der Nahrungsmittelkrise als eines der wichtigsten aktuellen Themen. Dieser Antrag der FDP-Fraktion wird jedoch nicht im Mindesten zu einer Lösung beitragen, weswegen wir ihn aus voller Überzeugung ablehnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.