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Abschiebungen nach Togo stoppen!

Rede von Sevim Dagdelen,

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,

In einer Nacht- und Nebelaktion Anfang diesen Jahres wurde der togolesische Flüchtling Alassane Moussbauo aus Deutschland abgeschoben. Sofort nach seiner Ankunft musste er untertauchen, weil das Militär dem Oppositionellen drohte, ihn zu „eliminieren“. Sein Fall war Anlass für den Abschiebestopp des Landes Mecklenburg- Vorpommern. Während der Abschiebestopp vor wenigen Wochen ausgelaufen ist, befindet sich Alassane Moussbauo immer noch auf der Flucht. Über 700 Flüchtlinge könnten sein Schicksal bald teilen. Sie könnten wieder in ein Land abgeschoben werden, in dem ihnen konkret Gefahr für Leib, Leben und Freiheit droht. Ein Abschiebestopp in einem Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern macht wenig Sinn, wenn nicht bundesweit Abschiebungen ausgesetzt werden. Deshalb hat DIE LINKE. diesen Antrag gestellt und fordert die Bundesregierung auf, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für togolesische Flüchtlinge nach § 23 AufenthG zu ermöglichen und sich gegenüber den Bundesländern für einen Abschiebestopp nach
§ 60a Abs. 1 AufenthG einzusetzen.

Bisher windet sich die Bundesregierung immer mit dem Verweis auf die Einzelfallprüfung aus ihrer Verantwortung. Aber auch eine Einzelfallprüfung kann eine Gefährdung von abgeschobenen Flüchtlingen nicht eindeutig ausschließen. Zu willkürlich und zu unberechenbar verfolgt das togolesische Regime die Opposition. In der Vergangenheit waren von Verfolgung nicht nur deren ranghohe Vertreter betroffen, sondern auch einfache Oppositionsmitglieder. Selbst der bloße Verdacht einer Mitgliedschaft reichte aus, um in den Zugriff des Regimes zu gelangen. Außerdem beobachtet das Regime genau die exilpolitischen Tätigkeiten von togolesischen Flüchtlingen in Deutschland.
Die Menschenrechtssituation hat sich seit den Ausschreitungen im Frühjahr 2005 nicht wesentlich verbessert. In der Diskussion im Innenausschuss haben Sie, Herr Grindel, dieses bestritten und auf den aktuellen Bericht des UNHCR vom 7. August 2006 verwiesen. Im Gegensatz zu ihnen habe ich diesen Bericht jedoch genau gelesen. Es kann ja sein, dass sich die großen Führer der Opposition gegenwärtig in Lomé sicher fühlen. Das sagt aber nichts darüber aus, ob sich die Situation von einfachen Oppositionellen außerhalb der Hauptstadt verbessert hat. Im Gegenteil: Der UNHCR stellt an keiner Stelle ein Ende der nächtlichen Entführungen und Morde von Oppositionsmitgliedern fest. Stattdessen wiederholt der UNHCR seine Aussage vom Sommer 2005, dass sich die Struktur und Rolle der Armee - die Herrschaft des Diktators Gnassingbé militärisch abzusichern - nicht verändert habe. Strukturelle Reformen des politischen Systems sind bisher ausgeblieben.

Wer vor diesem Hintergrund behauptet, die Lage in Togo habe sich entspannt, stellt ein durch Einschüchterung und polizeiliche Willkür und Verfolgung entstandenes Klima der Angst als innenpolitischen Frieden dar! Die Diktatur Gnassingbés ist lediglich sensibler gegenüber der internationalen Öffentlichkeit geworden. Immerhin hat die EU dem Regime in Lomé ca. 55 Millionen Euro in Aussicht gestellt, wenn diese einen nationalen Dialog mit der Opposition beginnt. Demokratische Fortschritte hat dieser Dialog bis heute nicht gebracht.

Flüchtlingen, die exilpolitisch in Deutschland tätig waren und abgeschoben werden sollen, sind jedoch weiterhin einer beträchtlichen Bedrohung ausgesetzt. Das hat die fatale Abschiebung von Alassane Moussbauo gezeigt. Wie viele untergetauchte, gefolterte oder sogar ermordete Flüchtlinge sind denn nötig, damit eine Gefährdung von abgeschobenen Flüchtlingen vom Auswärtigen Amt und verantwortlichen Politikern wahrgenommen wird? Ich möchte an dieser Stelle auf ein Urteil des Freiburger Verwaltungsgericht im März diesen Jahres hinweisen: Es stellte fest, dass es im Asylrecht keiner Lebendversuche zu Lasten von Flüchtlingen braucht, um die systematische Repression von abgeschobenen Flüchtlingen beweisen zu können.
Wenn die konkrete Gefahr für Leib und Leben von Mitgliedern der Opposition bzw. denjenigen, die dafür gehalten werden, nicht ausgeschlossen werden kann, ist jede Abschiebung von Flüchtlingen nach Togo ein solcher „Lebendversuch“!

Die CDU/CSU-Fraktion hat im Innenausschuss jedoch deutlich gemacht, dass sie an einer Klärung der Gefährdung für abgeschobene Flüchtlinge nicht interessiert ist. Vom Primat abzuschieben, egal was mit den Flüchtlingen passiert, will die Union nicht abrücken. Wenn doch aber widersprüchliche Aussagen zur Menschenrechtssituation in Togo vorliegen, dann müssen Sie doch wenigstens bereit sein, auf einer aktualisierten Fassung des Lageberichts des Auswärtigen Amtes zu entscheiden. Wir müssen vom Auswärtige Amt fordern, die aktuelle Situation zu prüfen und den Lagebericht zu korrigieren. Der Berichterstatter der SPD hat richtigerweise die Aussagen des Freiburger Verwaltungsgerichts ernst genommen und eine weitere Klärung des Sachverhalts gefordert. Leider hat die SPD sich dann ihrem Koalitionspartner gebeugt und den Antrag der Bundestagsfraktion DIE LINKE. im Innenausschuss abgelehnt. Ich finde es skandalös, dass das Recht auf Schutz vor Verfolgung dem Koalitionszwang geopfert wird.

Bevor Alassane Moussbauo zwangsweise abgeschoben wurde, hatte es etliche Warnungen und Hinweise zu seiner Gefährdung gegeben. Erst nach langen Protesten vor allen von Flüchtlingsgruppen war die SPD in Mecklenburg- Vorpommern bereit, die Menschenrechtssituation in Togo realistisch einzuschätzen und Abschiebungen auszusetzen. Ich halte die Bedrohung für Flüchtlinge aus Togo weiterhin für sehr hoch. Stellungnahmen von Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen zeigen dies und unser Antrag stützt sich darauf. Abschiebungen von Menschen, die vom Regime in Togo für Oppositionelle gehalten werden könnten, sind unverantwortlich. „Lebendversuche“ lehnt die Linke ab. Deswegen fordern wir die Bundesregierung auf, alles zu tun, um einen bundesweiten Abschiebestopp durchzusetzen.