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"25 Jahre UN-Kinderrechtskonvention: Krieg bleibt das größte Leid für Kinder und Jugendliche"

Rede von Norbert Müller,

Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Liebe Susann Rüthrich, ich könnte mich Ihnen in vielen Punkten anschließen. Vor wenigen Wochen hatten wir aus Anlass eines Antrags der Grünen schon eine Debatte zur UN-Kinderrechtskommission, und es wäre nun sehr langweilig, wenn ich all das, was Sie gesagt haben, wiederholen und mit unserer eigenen Position anreichern würde oder wenn ich das wiederholen würde, was ich hier vor drei Wochen schon gesagt habe. Deshalb möchte ich gerne einen anderen Aspekt in die Debatte einbringen und damit vielleicht ein bisschen Wasser in den Wein gießen.

Die UN-Kinderrechtskommission regelt, dass Kind ist, wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. UNICEF leitet aus der UN-Kinderrechtskonvention ‑ das ist spannend für die Bewertung dieser Konvention ‑ zehn Grundrechte ab. Das siebte Grundrecht ist ‑ ich zitiere ‑

das Recht auf eine Privatsphäre und eine gewaltfreie Erziehung im Sinne der Gleichberechtigung und des Friedens.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Linke teilt dies uneingeschränkt;

(Beifall bei der LINKEN)

denn Kinder sind trotz ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit oft die ersten Opfer eines Krieges.

Gerade in Bürgerkriegen, wie in Syrien oder ‑ viel näher ‑ in der Ukraine, die wir gerade erleben müssen, beobachten wir immer wieder, wie Kinder unter militärischen Konflikten leiden, und wir beobachten auch immer wieder den Einsatz von Kindern und Jugendlichen als Kombattanten in militärischen Konflikten. Oftmals enden Kindheit oder Jugend mit Traumatisierungen, mit Verletzungen und auch durch einen gewaltsamen Tod.

Bei der Umsetzung und Wahrung dieses Grundrechts brauchen wir in Deutschland aber gar nicht auf andere Staaten zu verweisen. Denn auch die Enttabuisierung des Militärischen - mancher hier im Haus ist darauf auch noch stolz - ist eben nicht zu bagatellisieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Kaum eine Ausbildungsmesse ohne Bundeswehrstand. Jugendoffiziere werben in Schulen offensiv für den Soldatenberuf, der eben kein gewöhnlicher Beruf ist. Dabei ist es nun gerade nicht so, dass man es nicht insbesondere auf Kinder im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention abgesehen hat, sondern gerade die unter 18-Jährigen sind im Blick der Werber.

Insofern ist es ein Stück weit verrückt, dass wir im Zusammenhang mit der UN-Kinderrechtskonvention vor drei Wochen darüber diskutiert haben. Für die Redner der Union war ganz klar, dass ein Wahlrecht für 16- und 17-Jährige abzulehnen ist. Es gibt aber eine Mehrheit im Hause dafür, 17-Jährige zu rekrutieren und in eine Uniform zu stecken. Das ist politisch offenbar gewollt.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der SPD: Was?)

2013 wurden 1 032 17-Jährige bei der Bundeswehr eingestellt. Dies erfolgte natürlich freiwillig. Gott sei Dank wird niemand mit 17 Jahren zum Militär gezwungen. Warum aber kann die Bundeswehr eigentlich nicht darauf verzichten, die Volljährigkeit abzuwarten, und damit in diesem Sinne die UN-Kinderrechtskonvention zu beachten? Was zwingt Sie eigentlich, das Rekrutierungsalter immer weiter zu vorzuverlegen? Warum wirbt denn die Bundeswehr gezielt an Schulen und auf Ausbildungsmessen, gezielt bei Jugendlichen? Offenbar scheint sich die Bundeswehr davon zu versprechen, dass Kinder und Jugendliche offener für den Kriegsdienst sind als Menschen in einem höheren Alter, in dem sie die Folgen ihres Tuns besser abschätzen können?

Aber Sie treiben es noch toller. Ich will hier gar keine weiteren Worte zur Bundeswehr an Schulen verlieren. Die Positionen hierzu sind ausgetauscht und bekannt. Dass Sie aber inzwischen die Bundeswehr bei Kita-Kindern auf Werbetour schicken, ist meines Erachtens schon eine neue Qualität, und das ist auch verurteilenswert.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung hat erst vor wenigen Wochen auf mehrere Kleine Anfragen der Linksfraktion zum Thema „Bundeswehr in der Kita“ geantwortet. Sie haben unter anderem geantwortet - ich zitiere -:

Das Kennenlernen des gesellschaftlichen Umfelds einschließlich der Arbeitswelt der Eltern gehört grundsätzlich zum pädagogischen Angebot von Kindertagesstätten.

Ursache war, dass Fotos im Internet aufgetaucht sind, auf denen zu sehen war, dass unter Sechsjährige auf Panzern herumgeklettert sind, dass offenbar Truppenbesuche vorgenommen worden sind, dass die Bundeswehr für Kita-Einrichtungen gespendet hat usw.

Das ist schon einigermaßen frech. Aus dem Recht der UN-Kinderrechtskonvention auf eine gewaltfreie Erziehung im Sinne des Friedens machen Sie offenbar ein Recht, dass auch unter Sechsjährige auf Panzern herumzuklettern haben, weil das in irgendeiner Form zum gesellschaftlichen Umfeld von Kindern und Jugendlichen gehört. Ich finde, im 25. Jahr der UN-Kinderrechtskonvention müsste man deutlich machen, dass das Militärische nicht zum gesellschaftlichen Umfeld von Kindern und Jugendlichen gehört.

(Beifall bei der LINKEN)

Nein. Das ist unwürdig. Die Bundesregierung hat die Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention erst vor wenigen Jahren - Jahr 2010, aber immerhin -zurückgenommen. Nutzen Sie jetzt die Gelegenheit des 25. Jahrestages der Konvention, um selbst beispielgebend voranzugehen! Unterlassen Sie die Werbung an Schulen! Stellen Sie diese schrägen Kasernenexkursionen von Kitas ein! Rekrutieren Sie keine Minderjährigen mehr!

(Beifall bei der LINKEN)

Krieg ist das größte Leid, das man Kindern und Jugendlichen zufügen kann. Lassen Sie uns daraus Konsequenzen ziehen für die Bundesrepublik Deutschland, für unser Land. Seien Sie so konsequent und nehmen Sie endlich die Kinderrechte in unsere Verfassung auf.

Ich weiß, dass es bei Grünen und der SPD hierzu große Übereinstimmung gibt. Das geht insbesondere an die Kolleginnen und Kollegen der SPD: Seien Sie so mutig und gehen Sie auch in dieser Legislaturperiode Schritte! Drücken Sie Ihren Koalitionspartner, damit wir bei der Frage der Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz vorankommen. Das wäre ein besseres Zeichen anlässlich der Feier des 25. Geburtstags der Kinderrechtskonvention als nur wohlfeine Reden im Parlament.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)