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23% weniger Lohn? Das haben wir nicht verdient!

Rede von Yvonne Ploetz,

Herr Präsident,
Meine Damen und Herren,

Heute ist der 23. März. Bis heute müssen Frauen länger arbeiten, um genauso viel verdient zu haben wie die Männer im letzten Jahr. 23 Prozent weniger haben sie im Geldbeutel. Dabei sollte es doch wirklich eine Selbstverständlichkeit sein, dass Frauen das gleiche verdienen wie ihre männlichen Kollegen. Ihnen stehen die ganzen 100 Prozent zu!

In Deutschland haben wir seit Jahren dieses enorme Lohngefälle zwischen Mann und Frau. Nirgendwo in Europa ist die Lohnschere so weit geöffnet. Nicht in Griechenland. Nicht in Frankreich. Nicht in Bulgarien oder in der Slowakei. Da muss man sich wirklich die Frage stellen, wie ernst Sie es als Bundesregierung mit der Gleichstellung von Mann und Frau meinen!

In diesem Zusammenhang stellte die TAZ Jana Weber vor. Jana und ihr Partner sind als freiberufliche Schauspielerin und Schauspieler unterwegs, an Theatern überall in der Republik, von Düsseldorf bis Leipzig, von Hamburg bis Passau. Oft zur selben Zeit im selben Stück. Und immer ärgert Jana sich über ihre Verträge. Er bekommt 250 Euro für eine Vorstellung, sie nur 200 Euro.

Und das ist leider deutscher Alltag, egal ob sie Schauspielerin, Schreinerin oder Managerin ist. Das ist doch wirklich eine ganz bittere Bilanz. Die bittere Bilanz einer Regierung, in der die Mehrheit der Gesellschaft immer noch wie eine Minderheit behandelt.

Dabei haben Sie sich als Regierung vorgenommen, die Lohnlücke bis 2020 auf 10 Prozent zu reduzieren. Ich kann Ihnen heute schon sagen, das erreichen Sie nur wenn Sie endlich von Ihrem Freiwilligkeits- uns Selbstverpflichtungskurs trennen. Sie werden zum Beispiel nicht um ein echtes Geichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft herum kommen, mit dem Sie Betriebe gesetzlich dazu verpflichten, gleiche Löhne für gleiche Arbeit zu zahlen!

Und tatsächlich liegen die Probleme ja noch tiefer. Lohndiskriminierungen häufen sich an im Laufe eines Frauenlebens. Nimmt man das gesamte Erwerbsleben in den Blick, zwischen Schulabschluss und Rente, dann liegt der durchschnittliche Lohnunterschied nicht mehr bei 23 Prozent, sondern bei knapp 50 Prozent. Schuld daran sind Niedriglöhne, unfreiwillige Teilzeitarbeit, Minijobs, Pausen für Pflege von Angehörigen oder Erziehung der Kinder, fehlende Aufstiegschancen und geringeres Gehalt. All das kommt in vielen Frauenleben zusammen und endet in einer Rentenlücke von 42 Prozent. Auch das gehört mit zur Wahrheit und muss endlich in den Fokus der Debatte!

Und an der ganzen Situation ändert sich seit Jahren überhaupt nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen. Stattdessen lässt sich Frauenministerin Schröder ganz unschuldig auf der Equal-Pay-Day-Homepage wie folgt zitieren: „Verdienen Sie mehr? Diese Frage kann frau sich ruhig öfter stellen.“ Ich finde gerade von Ihnen ist diese Aussage eine Unverschämtheit. Sie sind doch als Ministerin dafür zuständig, dass frau sich das noch immer fragen muss.
Dabei gibt es zahlreiche Lösungen, durch die der Equal-Pay-Day viel früher im Jahr oder gar nicht stattfinden würde:
1. Streiten Sie endlich mit uns gegen Hungerlöhne, gegen die Armutsfalle Minijob und gegen Armut trotz Arbeit! Jede Frau und jeder Mann muss für jede Stunde Erwerbsarbeit mindestens 10 Euro bekommen!
2. Stellen Sie sich an die Seite von Alleinerziehenden und ihren Kindern. Die Ursache der enorm hohen Kinder- und Jugendarmut liegt doch meistens in der prekären Lebenssituation der Mütter. Das können Sie doch nicht einfach achselzuckend hinnehmen. Legen Sie ein spezifisches Programm für gute Arbeit für Alleinerziehende auf und modernisieren Sie die Infrastruktur an kostenloser Kinderbetreuung! Nur so geht die Gleichung Familie und Beruf wirklich für jede auf!
Und 3. Es fehlt die Transparenz. In Norwegen und Schweden können alle in öffentlichen Verdienstlisten nachlesen, was auf dem Gehaltscheck vom Nachbar, dem Kollegen und dem Chef steht. Das würde auch uns sehr gut zu Gesicht stehen und wäre Frauen bei Ihren Gehaltsforderungen und Gehaltsverhandlungen eine echte Hilfe!

Aber von alledem passiert nichts. Stattdessen glänzen Sie mit Initiativen, die für die gesamte Frauenbewegung ein Totalausfall sind, wie zum Beispiel Logib-D. Kennen Sie das? Das ist ein Sammelsurium von Excel-Programmen, PDFs und Downloadmöglichkeiten im Internet. Damit soll Unternehmen geholfen werden, sich mit ihrer eigenen Entgeltungleichheit im Betrieb auseinanderzusetzen. Natürlich freiwillig. Und natürlich völlig erfolgsfrei. Mit solchen Instrumenten beweisen Sie als Regierung und als zuständige Ministerin nur eins: Ihnen fehlt nicht nur politischer Biss – Sie sind frauenpolitisch ganz und gar zahnlos!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Schröder, um auf Ihre Frage zu antworten: Natürlich verdienen Frauen mehr! Mehr Geld. Mehr Anerkennung. Mehr Aufstiegschancen. Und mehr Frauenministerin.