Zum Hauptinhalt springen

10 Jahre paradoxe Subventionen

Rede von Eva Bulling-Schröter,

Tagesordnungspunkt 18- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes> Drucksachen 17/10744, 17/10797 Drucksache 17/11387 Drucksache 17/11400

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Für die LINKE bleibt auch nach der Anhörung festzustellen: Die Fortführung des Spitzenausgleichs über das Jahr 2012 hinaus ist an keine relevante Anstrengung der Industrie geknüpft, die Energieeffizienz zu steigern. Darum lehnen wir sie ab.
Der - erst ab dem Jahr 2015 - zu erreichende Zielwert für die Minderung der Energieintensität von 1,3 Prozent pro Jahr entspricht laut Trendprognose der EU exakt der ohnehin erwartbaren Effizienzsteigerung. Das BMU geht in Hauspapieren sogar von 1,6 bis 1,8 Prozent aus! Die Regelung ist also nichts anderes, als ein Geschenk an die Wirtschaft. Im Übrigen wurde in der Anhörung ja deutlich, dass bei der Berechnung des Energieeffizienzindikators auch die Energieversorgungsunternehmen einbezogen werden. Das DIW machte klar, dass durch den Ersatz von fossilen und Kernbrennstoffen durch Solar‐ oder Windenergie statistisch große Effizienzverbesserungen vorgegaukelt werden, ohne dass bei der Industrie tatsächlich etwas passiert. Denn die alten Brennstoffe weisen in der Umwandlung Effizienzverluste von 45 bis 70 Prozent auf, für die Erzeugung von CO2-freien Ökostrom dagegen wird für diesen Zweck statistisch eine Effizienz von 100 Prozent unterstellt.

Zudem verlangt die Vorgabe keine individuellen Einzelnachweise der Unternehmen über erzielte Energieeinsparungen. Das wurde ja auf Druck des Bundeswirtschaftsministeriums aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Den Nachweis muss nun nur noch der Wirtschaftszweig insgesamt liefern.
Ferner wird das Verfahren nicht vom Gesetzgeber geregelt, sondern über die am 1. August 2012 zwischen Bundesregierung und Industrie abgeschlossene „Effizienzvereinbarung“. Diese läuft am Parlament vorbei über zehn Jahre, in denen der Bundestag dreimal neu gewählt wird.

Ohnehin sind die darin festgelegten Verpflichtungen zur Einführung und zum Betrieb von Energiemanagementsystemen bzw. zur Durchführung von Energieaudits bereits europarechtlich vorgeschrieben - die EU-Energieeffizienz-RL wurde im Juni dieses Jahres verabschiedet! Insofern erfolgt der Spitzenausgleich auch in dieser Hinsicht ohne Gegenleistung, wie auch die Deutsche Umwelthilfe in ihrer lesenswerten Stellungnahme feststellt. Das Ganze erfüllt also den Tatbestand einer reinen Subvention. Nicht zuletzt werden aufgrund der Architektur des Spitzenausgleichs einer bestimmten Gruppe von Unternehmen Vorteile bei der Steuerlast eingeräumt, welche andere Unternehmen hingegen tragen müssen. Dies dürfte eine Wettbewerbsverzerrung darstellen.

Das Vorhaben der Bundesregierung, den Spitzenausgleich bis 2022 ohne adäquate umweltpolitische Gegenleistung zu verlängern, ist nur eine Facette unberechtigter Privilegien für die energieintensive Industrie. Weitere gibt es im EEG, bei den Netzentgelten oder beim EU-Emissionshandel, das hat arepo consult in seiner Stellungnahme noch einmal deutlich gemacht. In der Summe führen diese Begünstigungen zu enormen Umverteilungen von den privaten Haushalten und kleinen Firmen hin zu energieintensiven Unternehmen sowie zu zusätzlichen Haushaltsbelastungen, wie bereits der Antrag unserer Fraktion „Unberechtigte Privilegien der energieintensiven Industrie abschaffen – Kein Sponsoring der Konzerne durch Stromkunden“ auf der Drucksache 17/8608 feststellte. Wir haben darum heute einen Entschließungsantrag in den Ausschuss eingebracht, der dies erneut thematisiert.
Die Bundestagsfraktion DIE LINKE will nicht leichtfertig Arbeitsplätze auf Spiel setzen. Wir fordern jedoch, Privilegien abzubauen, die mit Standortsicherung nicht das Geringste zu tun haben. Unterstützung soll es künftig nur noch dann geben, wenn Unternehmen ansonsten nachweislich Wettbewerbsnachteile erleiden müssten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Produktionsverlagerungen ins außereuropäische Ausland oder Schließungen führen würden.

Zum Nachweis müssen zwei Kriterien gleichzeitig erfüllt sein: Erstens, sie produzieren trotz einer Produktion nach „Stand der Technik“ technologiebedingt überdurchschnittlich energie- bzw. CO2-intensiv. Zweitens, sie stehen mit dem Hauptteil dieser Produkte im Wettbewerb mit außereuropäischen Unternehmen, welche keinen adäquaten umweltpolitischen Regelungen unterliegen.
Zur Luftverkehrsteuer: Wir befürworten ihre Beibehaltung, allerdings haben wir etliche Kritikpunkte zur derzeitigen Ausgestaltung dieser Steuer. Einige davon wurden auch in dem Fachgespräch am 5. November im Finanzausschuss durch Sachverständige bestätigt.

Angesichts der Tatsache, dass der Luftverkehr einer der am meisten subventionierten Verkehrsträger ist – es fällt zum Beispiel keine Kerosinbesteuerung an, auch gilt für internationale Flüge eine Mehrwertsteuerbefreiung –, obwohl der Flugverkehr wesentlich zur Erderwärmung beiträgt, sollten alle Möglichkeiten in Betracht gezogen werden, dieses Missverhältnis zu reduzieren. Das Umweltbundesamt bezifferte diese fragwürdigen Subventionen auf rund 11,5 Milliarden Euro im Jahr 2010.
Daher ist es absolut unverständlich, dass die Einnahmen aus dem Einbezug des Luftverkehrs in den EU-Emissionshandel und die aus der Luftverkehrsteuer miteinander verrechnet werden und die Gesamteinnahmen insgesamt auf nur eine Milliarde Euro gedeckelt sind.
Die Begrenzung ist paradox. Das bedeutet, je mehr Menschen fliegen, desto mehr müssten die Steuersätze entsprechend gesenkt werden. Das Fliegen würde also tendenziell billiger werden. Das widerspricht der ökologischen Lenkungswirkung, die mit dieser Steuer ja eigentlich erreicht werden soll.
Allerdings sind laut Gutachten der TU Chemnitz diese Lenkungswirkungen ohnehin marginal. Daher befürworten wir, eine Erhöhung der Steuersätze vorzunehmen und ebenso eine Steuersatzgestaltung nach Sitzklassen, wie es zum Beispiel auch in Frankreich und Großbritannien gehandhabt wird. Ein höherer Steuersatz insbesondere für Kurzstreckenflüge wäre angebracht, das würde auch der Deutschen Bahn zugute kommen.