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Foto: Rico Prauss

Wo ist Annalena Baerbocks feministische Außenpolitik bei der feministischen Revolte im Iran?

Rede von Dietmar Bartsch,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gegnerinnen und Gegner des Mullah-Regimes! Es ist gut und vernünftig, dass es diese Vereinbarte Debatte ein Jahr nach der Ermordung von Jina Mahsa Amini durch die sogenannte Sittenpolizei gibt. Ich will daran erinnern: Jina Mahsa Amini, eine junge Kurdin, Sunnitin, hatte ihr Kopftuch nicht so getragen, wie es die Sittenpolizei für angemessen hielt. Das reichte für ihre Ermordung. Und ja, ich sage „Ermordung“ und nichts anderes. Dass wir ihrer hier gedenken, ist mindestens angemessen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Viele Menschen, vor allem Frauen, protestieren seit einem Jahr gegen die Repressionen, gegen Gefängnisse und Folterkeller, gegen die Ermordung von Kindern und Kritikern. Viele von uns haben Patenschaften übernommen. Es gibt viel Solidarität. Ich will die 18-jährige Nargess zitieren, die sagt:

"„Als Frau und als die hauptsächliche Stimme und Treiberin dieser Revolution bin ich froh, dass ich meiner und der nächsten Generation dienen kann. Wir haben den antidiktatorischen Geist in der Gesellschaft geweckt.“"

Aber, meine Damen und Herren, je mehr wir wegsehen, je mehr dieses Thema verschwindet, desto sicherer fühlt sich das Regime im Iran, desto härter werden die Repressionen. Eine Gesetzesverschärfung wurde dort verabschiedet, die jahrelange Haft, Ausreiseverbote oder hohe Geldbußen für Frauen vorsieht, die sich dem Zwang zur Verschleierung nicht beugen. Die Islamische Republik ermordet gerade ihre Zukunft. Und leider ist es so, dass wir vielfach wegschauen.

Nach der ersten Welle der großen Solidarität ebbte die Aufmerksamkeit leider ab. Auch die Bundesregierung, mit sehr großen Worten gestartet, hat – und da hat Norbert Röttgen schlicht recht – viel zu wenig Taten folgen lassen. Wo ist denn die feministische Außenpolitik von Annalena Baerbock bei dieser feministischen Revolte im Iran?

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU])

Wir schützen nicht einmal die Menschen hier in Deutschland ausreichend vor der langen Hand des Mullah-Regimes. Es gibt zahlreiche Berichte über den iranischen Geheimdienst, der Exiliranerinnen, die das Regime aktiv bekämpfen, verfolgt und malträtiert – in Deutschland!

Und wir schützen auch nicht die Kurdinnen und Kurden. Wenn ich mir nur anschaue, wie wir Erdogan bei seinem Feldzug gegen Kurdistan und die Kurden faktisch unterstützen! Oder habe ich irgendwas nicht mitbekommen, als es um den Beitritt Schwedens zur NATO ging und Erdogan als Bedingung die Auslieferung von Kurdinnen und Kurden, im Übrigen auch aus dem Iran, nannte? Das ist eine Doppelmoral: einerseits überall den kurdischen Spruch „Frau, Leben, Freiheit“ skandieren und andererseits die Kurdinnen und Kurden im Stich lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie sind mit dem Anspruch einer wertebasierten Außenpolitik angetreten. Aber für die Menschen, die das Mullah-Regime bekämpfen, die für Freiheit und Gerechtigkeit jeden Tag ihr Leben riskieren und massenhaft auch verlieren, gibt es zu wenig konkrete Unterstützung. Viele Menschen im Iran sind wütend auf uns, auf die internationale Gemeinschaft. Ich möchte ihnen deshalb Platz geben und die letzten Sekunden für ein Zitat von Mina Abhari nutzen, die radikal sagt:

"„Die Welt sagt, die Iraner müssen das Regime stürzen. Wir sagen: Die Welt muss das Regime stürzen.“"

Wir können das Regime nicht einfach stürzen; das wissen wir alle.

Aber wir müssen aufhören, es zu stützen, meine Damen und Herren. In diesem Sinne: Jin, Jiyan, Azadi!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)