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Union macht billige Symbolpolitik auf dem Rücken von Schutzsuchenden

Rede von Clara Bünger,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Der Flüchtlingsgipfel von Bundeskanzler Scholz und den Ministerpräsidenten der Länder ist gerade einmal zwei Wochen her, und schon kommt die Union mit einem Gesetzentwurf um die Ecke, um einen besonders kritikwürdigen Punkt der Beschlüsse der Konferenz sogleich in die Tat umzusetzen. Es kann Ihnen nicht schnell genug gehen, die Rechte von Menschen mit prekärem Aufenthalt noch weiter einzuschränken. Zur Abschreckung wollen Sie jetzt den Ausreisegewahrsam von aktuell 10 auf 28 Tage verlängern.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Ihr Ministerpräsident, Herr Ramelow, hat zugestimmt!)

Was wollen Sie, meine Damen und Herren von der Union, damit eigentlich erreichen?

Zur Erinnerung: Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams wurde schon 2017 von vier auf zehn Tage verlängert. Hat das dazu geführt, dass es mehr Abschiebungen gab?

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Leider nicht!)

Nein! Aber für die Menschen, die aus dem alleinigen Grund eingesperrt werden, dass ihre Abschiebungen durchgesetzt werden können, macht es einen gewaltigen Unterschied, ob sie einige Tage oder einen ganzen Monat im Abschiebegewahrsam hinter Gittern verbringen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, man kann freiwillig ausreisen! Man kann seiner Rechtsverpflichtung nachkommen!)

In ihrem Gesetzentwurf bedient sich die Union einer alarmierenden Sprache. Die Zahl der Menschen, die ihrer formal bestehenden Ausreisepflicht nicht nachkämen, befindet sich – Zitat – „auf Rekordniveau“. Das ist aber falsch,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Natürlich ist es richtig!)

und das habe ich Ihnen hier auch schon mehrfach gesagt. Aber offensichtlich passt es nicht in Ihr Konzept, die tatsächlichen Zahlen zu verwenden.

Deshalb noch mal: Die Zahlen aus dem Ausländerzentralregister sind irreführend. Viele Menschen, die darin als ausreisepflichtig erfasst sind, können und sollen in Wirklichkeit gar nicht abgeschoben werden. Dass sie nicht abgeschoben werden können, kann zum Beispiel daran liegen, dass sie hier lebende Angehörige haben oder krank sind. Andere machen eine Ausbildung – Thema Fachkräftemangel –, oder sie kommen schlicht aus einem Land, in dem Krieg herrscht oder die Verhältnisse so verheerend sind, dass sie nicht abgeschoben werden können – Frau Polat hat darauf hingewiesen –; das betrifft alleine 70 000 Menschen.

Herr Throm, wollen Sie ernsthaft Menschen nach Afghanistan zurückschicken, wo die Taliban systematisch Frauen und Mädchen unterdrücken und gnadenlos Jagd auf politische Gegner machen,

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Schwerststraftäter, die unsere Bevölkerung bedrohen: Ja!)

oder in den Iran, wo gerade eine neue Welle von Hinrichtungen Protestierender droht?

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wir nehmen alle auf! Wie viele Millionen leben da? Die sollen alle kommen, oder wie?)

Die eigentlich interessante Frage ist doch, warum viele Menschen häufig über Jahre in der Duldung festhängen und kein Aufenthaltsrecht bekommen.

Mit dem erleichterten Bleiberecht könnte die vielkritisierte Zahl der Ausreisepflichtigen auf einen Schlag reduziert werden. Darüber müssten wir hier mal sprechen.

(Beifall bei der LINKEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Dadrum geht’s doch gar nicht!)

Deshalb setze ich mich auch für die sächsische Familie Pham/Ngyuen ein. Die Tochter und die Mutter sollen abgeschoben werden, obwohl sie bestens integriert sind. Ich habe gemeinsam mit anderen Abgeordneten einen Brief an Herrn Schuster geschrieben. So geht echte Politik, die solidarisch ist und auf die Menschen schaut.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nee! Das führt ins Chaos! Gott sei Dank regieren Sie nirgends!)

Aber die Union nimmt es mit Fakten nicht so genau und behauptet, Abschiebungen würden vor allem deshalb scheitern, weil sich die Betreffenden den Behörden entziehen, und deshalb will sie Menschen im Vorfeld der Abschiebung noch länger in Haft nehmen als bisher. Diese billige Symbolpolitik der Union auf dem Rücken der Menschen, die sowieso meist unverschuldet in ganz unmenschlichen Umständen leben, weisen wir als Linke ganz klar zurück.

(Beifall bei der LINKEN)

Genauso wie wir auch das Konstrukt der Abschiebungen und Abschiebehaft verurteilen. Da sind wir die Einzigen, die hier mal grundsätzlich darüber sprechen, ob das der richtige Weg ist, wie man mit Menschen umgeht.

Das führt meistens nicht zur Sachlichkeit der Debatte; deshalb würde ich jetzt weitergehen.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Throm [CDU/CSU]: Doch! Sie haben mir eine Frage gestellt, die ich gern beantworten würde! – Dr. Götz Frömming [AfD]: Das ist feige, Frau Kollegin! Erst ansprechen und dann kneifen!)

Aber Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Ich frage mich an der Stelle: Wenn Sie hier über „Abschiebungen, Abschiebungen, Abschiebungen“ sprechen – Sie wollen in den Iran abschieben –: Wo bleibt eigentlich Ihre christliche Nächstenliebe? Ich sehe sie nirgendwo mehr.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: In welcher Partei sind Sie denn? SED-Nachfolger-Klub da!)

Herr Throm, wenn Sie vom „Lackmustest“ sprechen – wir machen das mit dem Koalitionsvertrag auch –, möchte ich an eine Sache erinnern: Die Ministerpräsidentenkonferenz ist kein Gesetzgeber.

Liebe Koalition, SPD, Grüne und FDP: Lassen Sie sich von den Rechten und den Konservativen nicht treiben, setzen Sie Ihren Koalitionsvertrag um!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)