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Soziale Stadt in Abwicklung und Ost-Wasserstraßen als Rest-Wasserstraßen - das ist nicht hinnehmbare Betonköpfigkeit

Rede von Roland Claus,

Rede von Roland Claus, Mitglied des Haushaltsausschusses und Ost-Koordinator der Fraktion DIE LINKE, in der Debatte zum Etat des Ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung am 14.09.2012

Roland Claus (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die unbestrittene Tatsache, dass es hier um den größten Investitions- und Infrastrukturetat des Bundes geht, sagt noch nichts über die Qualität der Investitionen,

(Sabine Leidig (DIE LINKE): Ja, leider!)

und sagt auch nichts über die Fähigkeit des zuständigen Ministeriums, diese Investitionen voranzubringen.
Herr Bundesminister Ramsauer, wohlgesonnen könnte man sagen: Sie haben Ihre Rede hier in betonter Sachlichkeit vorgetragen.

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Stimmt!)

Ich muss Ihnen sagen: Das, was Sie hier angeboten haben, war einfach nur lustlos.

 (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Da brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn Ihnen immer mehr Kompetenzen aus der Hand genommen werden. Man muss Sie zu mehr Selbstvertrauen ermuntern. Für mich steht fest: Sie können nicht mit Geld umgehen, und schon gar nicht mit viel Geld.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben sich den Beitrag Ihres Ressorts zur Energiewende ohne Not aus der Hand nehmen lassen. Zum Thema Gebäudesanierung hat der Genosse Pronold schon das Richtige gesagt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben die Mittel für den Stadtumbau reduziert und sich damit Protestschreiben von Bürgermeistern von CSU bis Linke eingehandelt. Sie haben das Programm „Soziale Stadt“ als baufremde Ausgabe diskreditiert. Das ist wirklich nicht hinzunehmen.
Sie werden doch inzwischen weltweit Erfahrungen gesammelt haben.

(Patrick Döring (FDP): Wir haben nicht so viel Zeit zum Reisen wie Sie!)

Wir haben uns den Umbau eines Townships in Kapstadt angeschaut. Man kann sich in Deutschland den Umbau von großen Wohnsiedlungen anschauen, zum Beispiel in Bremen-Tenever.

(Oliver Luksic (FDP): Was Sie sich alles anschauen!)

Es geht niemals nur um die Seite des Bauens. Es geht immer auch um die Verbindung von Bau und demokratischer Teilhabe. Deshalb ist dieses Programm so wichtig.

 (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn Sie dieses Programm diskreditieren, zeugt das von einer betonköpfigen Politik, die ich Ihnen unterstellen muss.
Sie haben das Programm „Altersgerecht Umbauen“ in die Abwicklung geschickt. Wenn es ein positives Programm gibt, das eine wirklich herausragende Wirkung auf andere Entwicklungsmöglichkeiten hat, dann ist es dieses Programm. Ich habe damit eine wunderbare Erfahrung gemacht: An einem Neubaublock in meinem Wahlkreis ist inzwischen außen ein Fahrstuhl angebracht worden. Das ist nahezu eine Touristenattraktion. Dieses Programm aber, mit dem Sie etwas bewirken können, schicken Sie in die Abwicklung.
Ich muss mich erinnern: Ich habe 1990 als Mitglied der letzten Volkskammer der DDR vergeblich versucht, diese unselige Altschuldenbelastung ostdeutscher Wohnungsunternehmen zu verhindern. Das wurde mit dem Einigungsvertrag Gesetz; ich konnte es nicht verhindern.

(Oliver Luksic (FDP): Sie hätten das Chaos besser vorher verhindert!)

Ich hätte es aber nie für möglich gehalten, dass ich 22 Jahre danach noch immer auf die verheerenden Wirkungen dieser Altschuldenbelastung hier im Deutschen Bundestag hinweisen muss. Das ist noch immer ein Riesenproblem, das ungelöst ist. Meine Fraktion wird Ihnen einen Vorschlag für eine sinnvolle Kombination von Stadtumbau Ost und Altschuldentilgung unterbreiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, Sie sind auf die steigenden Mieten in Ballungsgebieten eingegangen. Wir erwarten, dass Sie an diesem Thema dranbleiben. Jetzt steht die Privatisierung von über 11 000 bundeseigenen Wohnungen an, die bislang noch der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft gehören. Das fällt zwar in die Zuständigkeit des Bundesfinanzministeriums, aber wir erwarten vom Bau- und Wohnungsminister Engagement in dieser Sache. Sie wissen, dass etliche Mitglieder meiner Fraktion als Alternative zu dieser Privatisierung eine Genossenschaft mit dem Namen FAIRWOHNEN gegründet haben. Nun sind wir aus dem Bieterverfahren ausgeschlossen worden; das werden wir uns nicht bieten lassen. Wir rechnen nicht damit, dass Sie der Genossenschaft beitreten, Herr Minister, aber ein bisschen mehr Unterstützung für diese Initiative wäre schon angebracht.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Seit dem Frühjahr ist die Katze aus dem Sack. Mit dem sogenannten 5. Bericht zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes liegen die Dinge auf den Tisch. Sie wollen alle Behörden in Bonn zentralisieren. Warum gründen Sie nicht gleich ein Zentralkomitee der Wasser-und Schifffahrtsverwaltung?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Gustav Herzog (SPD): Guter Vorschlag! - Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)

Das, was Sie vorhaben, ist dem ja ähnlich. Ich kann Ihnen sagen, wohin das führt.
Besonders zu kritisieren ist, dass Sie die Wasserstraßen im gesamten Osten quasi zu Restwasserstraßen erklären. Obwohl noch nichts im Parlament entschieden ist, hat das bereits faktische Auswirkungen. Ich kann Ihnen von einem Jugendlichen aus meinem Wahlkreis berichten. Durch meinen Wahlkreis fließt die Saale. Der Jugendliche hat ein großes Interesse an fließenden Gewässern und hatte sich bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung beworben. Man hatte ihm gesagt: Willkommen, junger Mann, wir brauchen unbedingt Nachwuchs. Als er nun nachfragte nachdem im Mai dieser Bericht auf den Tisch gekommen war , ob er dort seine Ausbildung machen kann, wenn er mit der Schule fertig ist, wurde ihm gesagt: Hier im Osten geht nichts mehr. Wir stellen keine Auszubildenden mehr ein. - Das kann man die Macht des Faktischen nennen, Herr Minister; ich nenne es die Macht des Zynischen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke steht für eine Verkehrs-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik, die stets von sozialer Verantwortung und demokratischer Teilhabe aller an den öffentlichen Gütern ausgeht. Was alle brauchen, muss öffentlich zugänglich und bezahlbar sein.
Ich will noch ein Wort zum Flughafen Berlin sagen. Dazu möchte ich den Focus aus dem April 1996 zitieren. Der Focus berichtete im April 1996 über die Initiative von Bundesminister Wissmann, CDU, und der CDU Berlin für eine private Investition von 8 Milliarden D-Mark für einen neuen Flughafen am Standort Schönefeld. Der Focus nannte das ein sensationelles Konzept. Das muss deshalb hier zitiert werden, weil die Christlich Demokratische Union inzwischen versucht, sich vom Acker zu machen und die Schuld bei zwei Ministerpräsidenten, die zufällig der SPD angehören, abzuladen.

(Johannes Kahrs (SPD): Nicht zufällig! Patrick Döring (FDP): Das kann kein Zufall sein!)

Es ist auch nicht damit zu erklären, dass der Bund mit 26 Prozent Minderheitseigner ist. Der Bund hat eine Menge für die Infrastrukturanbindung dieses Flughafens getan. Deshalb muss man Sie auffordern, zu Ihrer Verantwortung zu stehen, damit es nicht eines Tages heißt: Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu eröffnen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Uwe Beckmeyer (SPD) - Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das heißt es heute schon!)