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Rentengerechtigkeit in Ost und West

Rede von Matthias W. Birkwald,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Frau Staatssekretärin Griese! Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle zur 111. Sitzung des Deutschen Bundestages in dieser Legislaturperiode!

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist der Präsidentin vorbehalten!)

Ja, die Löhne im Osten sind schneller gestiegen als erwartet, und die Frau Staatssekretärin hat über die Ostanpassung nur einen Satz verloren. Deswegen: Ja, der Rentenwert Ost wird nun zum 1. Juli abgeschafft, und es wird einen einheitlichen Rentenwert im Osten und im Westen Deutschlands geben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf: Bravo!)

Das ist gut so und ist auch dem gesetzlichen Mindestlohn zu verdanken; den hatten wir Linken schon seit über 20 Jahren gefordert.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, wer im Osten lebt und schon in Rente ist, kann sich freuen. Ein allerletztes Mal werden die Renten im Osten stärker erhöht als im Westen. Und ja, die Bestandsrentner im Osten haben leicht höhere Renten als die im Westen – Männer und besonders die Frauen. Aber bei denen, die im Osten neu in Rente gehen, sieht das nach 20 Jahren mit Langzeiterwerbslosigkeit, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Jobs im Niedriglohnsektor, unfreiwilliger Teilzeit und Minijobs leider völlig anders aus. Deren Renten sind deutlich niedriger als im Westen. Noch immer liegen die Renten all jener Rentnerinnen und Rentner mit 35 und mehr Versicherungsjahren in Sachsen sage und schreibe durchschnittlich 214 Euro brutto unter denen in Nordrhein-Westfalen.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: In Niederbayern auch!)

Das sind also 214 Euro weniger bei gleichen Versicherungszeiten.

Der Grund dafür ist klar: Die Löhne im Osten sind immer noch viel zu niedrig.

(Beifall bei der LINKEN – Rasha Nasr [SPD]: Ja!)

Selbst heute liegen sie immer noch durchschnittlich 17 Prozent unter denen im Westen: 17 Prozent! Sachsen, das Ostland mit den höchsten Bruttolöhnen, liegt mit durchschnittlich 3 187 Euro immer noch 130 Euro monatlich unter Schleswig-Holstein, dem Schlusslicht im Westen. Meine Damen und Herren, damit muss 33 Jahre nach der Wiedervereinigung nun endlich Schluss sein!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sepp Müller [CDU/CSU]: Dann fangt doch mal in Thüringen an mit Ramelow!)

Damit die Lohnunterschiede zwischen Ost und West nicht voll in die Rente durchschlagen, werden und wurden bisher die Ostlöhne bei der Rentenberechnung auf das Westniveau umgerechnet. Das war gut und richtig so, auch wenn fälschlicherweise immer von „Hochwertung“ oder „Hochrechnung“ – das ist Unsinn – geredet wurde. Diese für die ostdeutschen Beschäftigten so wichtige Umrechnung der Löhne werden SPD, Grüne und FDP aber bis 2025 komplett abschaffen. Dadurch werden Ostdeutsche zukünftig durchschnittlich 600 Euro Rente weniger im Jahr haben.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht! – Jens Teutrine [FDP]: Das ist falsch!)

Das halte ich für völlig inakzeptabel; denn wir brauchen gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit und gleiche Rente für gleiche Lebensleistung in Ost und West.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wäre sozial gerecht. Genau darum fordern wir Linken, dass die sogenannte Umrechnung der Ostlöhne bei der Rentenberechnung bis 2030 fortgeführt wird. So geht Gerechtigkeit.

Aber, meine Damen und Herren, insgesamt haben die Rentnerinnen und Rentner in Deutschland derzeit überhaupt keinen Grund zum Feiern, weder die Rentnerinnen und Rentner im Osten noch die im Westen. Das Rentenniveau liegt gerade einmal bei bescheidenen 48 Prozent. Und die durchschnittlich an alle 21,3 Millionen Rentnerinnen und Rentner ausgezahlte Rente liegt nur bei äußerst bescheidenen 1 152 Euro.

(Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Eine Frechheit!)

Eine solche Rente sichert den Lebensstandard nicht. Im Gegenteil: Sie reicht vorne und hinten nicht. Und ohne weitere Alterseinkommen liegen Alleinstehende damit sogar fast 100 Euro unter der Armutsgrenze der Europäischen Union. Und das ist nun wirklich ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann haben wir noch immer eine Inflation von über 6 Prozent; das merkt die Rentnerin insbesondere im Supermarkt. Brot ist noch fast 20 Prozent teurer als im Vorjahr, Gemüse ist um 17 Prozent teurer geworden und Milchprodukte um sage und schreibe 28 Prozent. Da bleibt von der Rentenerhöhung am 1. Juli – Herr Minister, Frau Staatssekretärin – real kein einziger Cent mehr im Geldbeutel übrig, und die Krankenkassenbeiträge und der Pflegebeitrag steigen auch noch. Meine Damen und Herren, so darf es nicht weitergehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Verehrter Herr Bundesminister Heil, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampelkoalitionen, ich fordere Sie auf: Greifen Sie endlich den wirklich Reichen und Superreichen in die Tasche und nicht den Rentnerinnen und Rentnern! Die brauchen wieder eine Rente, die zum Leben reicht. Deshalb fordert Die Linke – erstens – eine zusätzliche einmalige und außerordentliche Rentenerhöhung von 10 Prozent zum 1. Januar 2024.

(Beifall bei der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Warum nur 10? – Gabriele Katzmarek [SPD]: Matthias, für alle?)

Dann hätten wir wieder ein lebensstandardsicherndes Rentenniveau von 53 Prozent, und die Kaufkraft der Renten wäre langfristig gesichert. Das ist finanzierbar und kostet durchschnittlich Verdienende und ihre Chefs nur je 36 Euro mehr an Beitrag.

Streichen Sie – zweitens – alle Kürzungsfaktoren aus der Rentenanpassungsformel, und führen Sie – drittens – endlich eine echte einkommens- und vermögensgeprüfte solidarische Mindestrente –

– von aktuell 1 200 Euro für Alleinstehende ein!

Denn niemand soll im Alter in Armut leben müssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)