Zum Hauptinhalt springen

Neustart im Sozialen Wohnungsbau statt Ankündigungs- und Verweigerungstaktik

Rede von Heidrun Bluhm-Förster,

Rede von Heidrun Bluhm zum Antrag der LINKEN "Soziale Wohnungswirtschaft entwickeln" (Drs.-Nr. 18/3744) in erster Lesung sowie zum Antrag der Fraktion DIE LINKE "Marktmacht brechen – Wohnungsnot durch Sozialen Wohnungsbau beseitigen" (Drs.-Nr. 18/506) in zweiter/ dritter Lesung im Deutschen Bundestag.

Heidrun Bluhm (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Bundesregierung ist nun nicht mehr neu; die Schonzeit ist vorbei.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das ist ja auch gut!)

Aber leider ist sie in der Frage des sozialen Wohnungsbaus immer noch im Ankündigungsmodus. Selbst unter den wohnungspolitisch und mietenpolitisch hoffnungsvollen Euphorikern machen sich langsam die Ernüchterung und die Enttäuschung breit. Man fragt sich nämlich zu Recht: Was ist denn nun mit der wohnungspolitischen Offensive? Wo bleibt denn nun der mehrfach angekündigte Dreiklang aus Stärkung der Investitionstätigkeit, Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus und der ausgewogenen mietrechtlichen und sozialpolitischen Flankierung? So steht es ja auf Seite 80 des Koalitionsvertrages, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition. Vielleicht sollten Sie den Koalitionsvertrag ab und zu wieder einmal in die Hand nehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen ist gegründet worden. Schön! Das haben wir auch begrüßt. Aber was tut dieses Bündnis eigentlich? Nach seiner Gründung haben wir nichts weiter davon gehört. Selbst die lange angekündigte und schon fast wieder zerredete Mietpreisbremse schwimmt noch immer in parlamentarischen Gewässern. Es ist zu befürchten, dass am Ende nicht der Mietanstieg, sondern das Gesetz gedämpft wird, und zwar so lange, bis die Mietpreisbremse vollständig verdampft zu sein scheint.

(Beifall bei der LINKEN)

In der gestrigen Ausschusssitzung vermittelten die Koalitionsredner den Eindruck, als sei das Gesetz schon in Kraft. Nein, meine Damen und Herren, Sie haben noch nicht geliefert. Die Kolleginnen und Kollegen von CDU und CSU versuchten auch im Ausschuss, uns weiszumachen, dass die Mietpreisbremse und die Wohngelderhöhung geeignet seien, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

(Ulli Nissen (SPD): Quatsch! Haben wir nie behauptet!)

- Sie nicht, Frau Nissen. Ich habe gerade die CDU/CSU angesprochen. -

(Kai Wegner (CDU/CSU): Totaler Quatsch! Haben wir auch nicht behauptet!)

Wer hat Sie bloß beraten, dass Sie zu dieser Erkenntnis kommen?

Zwischenzeitlich haben wir, die Linke, mit den heute hier zu behandelnden Anträgen schon vier Anträge zum sozialen Wohnungsbau und zur Mietpreisbegrenzung zur Beratung und Abstimmung vorgelegt. Während wir hier Monat um Monat debattieren, nutzen Vermieterinnen und Vermieter fleißig die Gelegenheit, jede Mieterhöhungsmöglichkeit auszuschöpfen und ihre juristischen Batterien in Stellung zu bringen, bevor das Gesetz irgendwann das Licht der Welt erblickt. So wird das nichts mit der wohnungspolitischen Offensive dieser Bundesregierung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit ordnungspolitischen Maßnahmen zu beginnen, ohne die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine solide Wohnungspolitik grundlegend zu verändern, heißt, ein Pferd von hinten aufzuzäumen. Wir alle wissen, dass das meistens nicht gelingt.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wird also Zeit, dass sich endlich etwas dreht. Eine wirkliche wohnungspolitische Offensive unter marktwirtschaftlichen Bedingungen müsste damit beginnen, das Verhältnis von Angebot und Nachfrage vor allem in angespannten Wohnungsmärkten in Ordnung zu bringen. Jetzt ist es nämlich so, dass gerade dort jede Wohnung, egal ob energetisch saniert oder nicht, egal ob Familienwohnung, Studentenwohnung oder altersgerechte Wohnung, zu Höchstrenditen vermietet werden kann. Andererseits gibt es selbst in schrumpfenden oder ländlichen Regionen mit wachsendem Wohnungsleerstand Wohnungsnot, weil nur noch das gebaut wird, wofür es eine zahlungskräftige Nachfrage gibt. Wirklich bedarfsgerechte, also für alle bezahlbare, barrierearme, klima- und altersgerechte Wohnungen fehlen auch hier massenhaft.

Hier ist auch die Bundespolitik gefordert, die im Koalitionsvertrag versprochene „sozialpolitische Flankierung“ tatsächlich praxistauglich zu machen. Auch Herr Gabriel hat heute Morgen in seiner Rede zur Wirtschaftslage darauf aufmerksam gemacht, dass wir hier, die Bundesebene, für den sozialen Wohnungsbau verantwortlich sind, Länderverantwortung hin oder her. Wozu beschließen wir sonst hier Bundesgesetze, und warum sonst steht die Bundesverantwortung im Koalitionsvertrag? Sie können sich also nicht herausreden, wie Sie es gestern im Ausschuss versucht haben.

Den sozialen Wohnungsbau wiederzubeleben, wie es die Bundesregierung angekündigt hat, das wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Bisher fehlt aber die Richtung, und von Schritten dahin kann überhaupt keine Rede sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Unverändert 518 Millionen Euro Kompensationszahlungen seit 2006, seitdem die Föderalismusreform beschlossen ist, befristet bis 2019 und ohne soziale Zweckbindung, das ist doch keine Wiederbelebung, sondern bestenfalls eine Notbeatmung des Patienten „sozialer Wohnungsbau“, um ihn vor dem Tode zu retten.

Ein wirklicher Neustart im sozialen Wohnungsbau ist dringend geboten, und das ist auch das Hauptanliegen unserer hier vorgelegten Anträge. Es müssen jährlich mindestens 150 000 Sozialwohnungen - ich betone: Sozialwohnungen - zusätzlich auf den Markt. Sie sind allein erforderlich, um den kontinuierlichen Schwund an Sozialwohnungen seit den 1970er-Jahren durch den Wegfall der Sozialbindung zu kompensieren. Mindestens 700 Millionen Euro jährlich, verlässlich, langfristig durch den Bund bereitgestellt und durch die Länder bedarfsgerecht und dauerhaft zweckgebunden kofinanziert, sind dafür notwendig. Es muss nicht überall Neubau sein; es kann auch die Sanierung von vorhandenen Wohnungsbeständen sein. Anderswo ist möglicherweise auch der Ankauf von Belegungsbindungen die bessere Lösung.

Gute und zudem preiswerte Chancen, wenigstens einen kleinen Beitrag zu einer sozialpolitisch flankierten wohnungspolitischen Offensive zu leisten, hätte die Bundesregierung bei einem entsprechenden Umgang mit ihren eigenen Liegenschaften. Beim Verkauf der TLG im Jahr 2012 hat die damalige Bundesregierung diese Chance allerdings gründlich versemmelt. Die jetzige Bundesregierung würde diesen Fehler wiederholen, wenn sie beim Verkauf der BImA-Wohnungen stur am Höchstpreisgebot festhielte.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier in Berlin scheint die Chance zu bestehen, einmal über den Rand der schwarzen Null hinauszublicken und einen konzeptgebundenen Verkauf dieser Wohnungen an kommunale Wohnungsunternehmen - natürlich zu akzeptablen Preisen - zu organisieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wäre - das sage ich hier ganz klar - der richtige Weg.

Wir begleiten die betroffenen Mieterinnen und Mieter in diesem Prozess nicht nur mit Sympathie, sondern unterstützen auch ihre Forderung nach Erhalt ihrer Wohnungen und ihres Kiezes - gegen den Privatisierungs- und Verwertungswahn. Darauf können sich sowohl die Mieterinnen und Mieter als auch die Bundesregierung verlassen.

Beides zusammen, der Neustart des sozialen Wohnungsbaus, finanziell gut ausgestattet, dauerhaft zweckgebunden und am besten in kommunalen Wohnungsgesellschaften konzentriert, und ein sozial verantwortlicher Umgang mit öffentlichem Eigentum an Wohnungen und für Wohnzwecke geeigneten Liegenschaften, das kann der bescheidene Anfang für eine grundlegende Korrektur in der heutigen Systematik der Wohnungswirtschaft sein. Die fast ausschließlich privat dominierte Wohnungswirtschaft mit Gewinnmaximierung muss gebremst werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Wohnung darf nicht ausschließlich eine Ware bleiben, sondern muss wieder zu einem hohen, schützenswerten Sozialgut werden und damit ein wirkliches Zuhause für alle sein.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)