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Krankenhäuser ordentlich finanzieren

Rede von Harald Weinberg,

Kein Fallpauschalensystem an psychiatrischen Krankenhäusern

Harald Weinberg (DIE LINKE): Heute wird hier ein Systemwechsel in der Finanzierung von psychiatrischen Krankenhäusern beschlossen. Bisher gibt es krankenhausindividuell verhandelte Budgets. Hier spielen die Kosten, die in dem jeweiligen Krankenhaus entstehen, natürlich eine Rolle. Zum größten Teil geht es hier natürlich – gerade im psychiatrischen Bereich – um Personalkosten. Nach der geltenden Psychiatrie-Personalverordnung ist der Personalbedarf verschiedener Abteilungen festgelegt und soll entsprechend finanziert werden. Nun soll dieses System – mit Übergangsfristen bis 2022 – umgestellt werden. Dann soll nicht mehr der Bedarf, sondern im Grundsatz die Leistung honoriert werden – allerdings nicht mehr einzeln für jede Klinik, sondern landesweit pauschaliert. Eine Klinik in München soll also für die gleiche Abteilung den gleichen Tagessatz bekommen wie eine Klinik im Bayerischen Wald, obwohl die Kostenstrukturen andere sein dürften. Die Krankenhäuser,die derzeit noch relativ hohe Kosten geltend machen können, werden massiv sparen müssen – das geht fast nur beim Personal – oder werden Defizite erwirtschaften und verschwinden. Das ist Folge dieses Gesetzes.

Es gibt für dieses Vorgehen ein Vorbild. So wurde ab 2003 ja bereits das Fallpauschalensystem in den nichtpsychiatrischen, den somatischen, Krankenhäusern eingeführt. Für eine bestimmte Diagnose erhält das Krankenhaus nun einen Betrag X, während zuvor die Liegezeit entscheidend war. Ist es nun sinnvoll, dieses Prinzip auch auf die psychiatrischen Kliniken zu übertragen? Ich meine, nein, weil wir mit diesem neuen System, bei dem auch eine Personalbemessung aufgegeben wurde, eher schlechte als gute Erfahrungen gemacht haben.

Viele Zielsetzungen sind nicht erreicht worden; es sind negative Effekte aufgetreten. Bei vielen Punkten können wir aber auch gar nicht wirklich sagen, welche Erfahrungen vorliegen, weil die gesetzlich vorgeschriebene Begleitforschung größtenteils gescheitert ist.

Das Scheitern hatte seine Ursache darin, dass sich die im Gesetz bestimmten Auftraggeber, Kassen und Kliniken, gegenseitig blockiert haben. Deshalb haben wir auch beantragt, dass die Bundesregierung einen Sachverständigenrat einrichten soll, der eine Evaluation vornehmen soll; so könnten wir zu einer neutralen Forschung und politisch brauchbaren Ergebnissen kommen. Die wären wichtig, denn immerhin geht es hier um 17 Millionen Patientinnen und Patienten und über 50 Milliarden Euro jährlich. Schade, dass die Koalition und die SPD das ablehnen.

Soweit man das auch ohne Begleitforschung abschätzen kann, passierte Folgendes: Die Fallpauschalen erzeugten wirtschaftlichen Druck auf die Krankenhäuser, möglichst viele Fälle abzurechnen – mit möglichst kurzer Liegedauer. Die Krankenhäuser haben infolgedessen einen immer größeren Bedarf, Ärztinnen und Ärzte einzustellen, um diese Fallzahlen zu generieren und – nicht zuletzt – um die Kodierung für die Abrechnung vorzunehmen. Die Pflege hingegen wurde nun weniger gebraucht, und hier bestanden neben dem technischen Dienst auch die größten Einsparpotenziale für die Krankenhäuser. Für die Beschäftigten bedeutet dies eine enorme Arbeitsverdichtung, für die Patientinnen und Patienten trotz allem Einsatz der Pflegenden ganz klar eine Verschlechterung der Pflege. Es gibt massive Probleme bei den Reha-Kliniken, die durch die früheren Entlassungen teilweise Patientinnen und Patienten zugewiesen bekommen, die noch gar nicht rehabilitationsfähig sind. Die Fallpauschalen erzeugen einen hohen Bürokratieaufwand.

Der Anreiz, möglichst viele Fälle zu machen, könnte von den Krankenhäusern als Anreiz verstanden werden, auch unnötige Operationen durchzuführen. Und nun kann man sich fragen, welcher Fehlanreiz besser ist: Früher ließen die Krankenhäuser die Patientinnen und Patienten gerne einmal zwei oder drei Tage zu lange liegen, wenn nicht alle Betten ausgelastet waren; heutemuss man sich fragen, ob die Operation tatsächlich notwendig ist oder ob einfach der Operationssaal mehr Auslastung braucht.

Trotz dieser Probleme kann man nicht feststellen, dass Krankenhäuser durch die Umstellung auf Fallpauschalen wirtschaftlicher geworden sind. Kurz gesagt, gibt es Hinweise auf Verschlechterungen im Krankenhaus, aber ohne dass das System wenigstens günstiger geworden wäre. Wenn das so ist, dann muss man über Alternativen im somatischen Bereich nachdenken, aber nicht dieses System im Grundsatz als Vorbild für die psychiatrischen Kliniken nehmen.

Denn nichts wird dort besser werden. Wenn man tatsächlich die Versorgung in der stationären Psychiatrie verbessern will, dann muss man dafür sorgen, dass genug gut qualifiziertes Personal dort zur Verfügung steht, wo es gebraucht wird. Man muss im ersten Schritt dafür sorgen, dass die Psychiatrie-Personalverordnung tatsächlich überall umgesetzt wird. Außerdem muss man für eine bessere sektorenübergreifende Zusammenarbeit sorgen. Nichts davon passiert hier. Im Gegenteil: Die Sektorengrenze zwischen Ambulant und Stationär wird noch weiter zementiert, weil ein neues stationäres Finanzierungssystem bis weit in die 2020er-Jahre festgeschrieben wird.

Die Koalition nutzt dieses Gesetz aber auch als Omnibus, um andere Regelungen noch mitzunehmen, oder, wie Herr Lindemann von der FDP heute in der Welt zitiert wird: „Wir müssen aufsammeln, was in den vergangenen Monaten gesetzgeberisch liegen geblieben ist oder unzureichend gelöst wurde“. Und da gibt es einiges! So gab es ja im März einen Tarifabschluss für die öffentlichen Krankenhäuser. Bisher war völlig unklar, wann wie viel auf welche Art und Weise davon refinanziert wird. Die Koalition hat jetzt gewürfelt, und herausgekommen sind 30 Prozent. Einen Ratschlag, wie die Krankenhäuser die übrigen 70 Prozent finanzieren sollen, hat die Koalition nicht. Dazu kommt, dass diese 30 Prozent auch noch über die Landesbasisfallwerte auf alle Krankenhäuser verteilt werden, also auch auf die zum Teil privaten Häuser, für die die Tarifsteigerung gar nicht gilt, und auch auf die Krankenhäuser, die Personal entlassen. Für diejenigen, die ihre Beschäftigten ordentlich entlohnen, bleibt also unterm Strich sogar weniger als 30 Prozent ihrer individuellen Mehrkosten übrig.

Die Koalition unterstützt weiter den Wettbewerb über Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen. Wir brauchen hier Abschläge für Krankenhäuser, die untertariflich zahlen, sowie eine klare Mindestpersonalbemessung. Damit wäre den Beschäftigten geholfen.

Bereits 2008 wurde ein Gesetz mit dem Ziel verabschiedet, nicht mehr die Steigerungen der Löhne und Gehälter der Versicherten, sondern die Kostensteigerungen der Krankenhäuser als Maßstab für die Erhöhung der Krankenhausbudgets zu nutzen. Schon seit Mitte 2010 sollte dieser berechnet sein. Die Bundesregierung hat aber dieses Gesetz seitdem nicht umgesetzt und zudem noch solche Angst vor der Öffentlichkeit gehabt, dass sie das Statistische Bundesamt zur Verschwiegenheit verpflichtet hat. Nun soll der Orientierungswert imJahr 2013 kommen. Immerhin, aber tosenden Beifall können Sie für diese Leistung von uns nicht erwarten.

Alles in allem haben Sie mit den Änderungsanträgen das Gesetz zwar ein wenig verbessert. Aber durch die Umstellung der Finanzierung der Psychiatrieentgelte ist da doch deutlich mehr Schatten als Licht, und deshalb lehnen wir dieses Gesetz ab und bedauern, dass Koalition und SPD unseren Antrag zur Fallpauschalenforschung ablehnen.