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Kitaqualitätsgesetz: Wie man eine gute Zukunft kaputt spart

Rede von Heidi Reichinnek,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich mal vor, Sie betreuen Kinder in einer Kita, und irgendwie werden es in Ihrer Gruppe immer mehr Kinder, doch Sie haben immer weniger Kolleginnen und Kollegen, massig Überstunden und trotzdem eingeschränkte Betreuungszeiten oder sogar Schließungen, dadurch gestresste, schlecht gelaunte Eltern und gestresste, schlecht gelaunte Kinder. Das ist Alltag in Kitas im ganzen Land.

Und was tut die Bundesregierung jetzt? Na, die sagt: Augen zu und durch! – In dem vorliegenden Entwurf für ein KiTa-Qualitätsgesetz fehlt eine langfristige Strategie und ganz einfach Geld. Das ist kein Qualitätsgesetz, das ist ein Kürzungsgesetz. Sie streichen nicht nur das Geld für die Sprach-Kitas, Sie ignorieren auch die massive Inflation von über 10 Prozent und fallen damit hinter das Niveau des Gute-KiTa-Gesetzes zurück.

Als Linke haben wir deshalb einen Entschließungsantrag vorgelegt,

(Beifall bei der LINKEN)

der endlich für eine Trendwende im vernachlässigten und kaputtgesparten Kitabereich sorgen würde. Wir sagen: Nicht 4 Milliarden Euro für zwei Jahre, sondern 6 Milliarden Euro pro Jahr müssen zur Verfügung gestellt werden,

(Beifall bei der LINKEN)

um Qualität endlich Realität werden zu lassen. Dazu brauchen wir 2 Milliarden Euro on top, um den Investitionsstau der Kitas wenigstens anzugehen. Und nein, das ist nicht utopisch. Das Geld ist da.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieses Parlament – Sie – haben gerade erst 10 Milliarden Euro für eine Aktienrente rausgeworfen, davor ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen zusätzlich für Aufrüstung, obwohl die Verteidigungsministerin dafür eh schon über 50 Milliarden Euro im Jahr kriegt. „Wo ist das Sondervermögen für Kitas?“, frage ich Sie.

(Beifall bei der LINKEN)

Warum finden Sie Mittel und Wege, um die Interessen der Superreichen durchzusetzen, aber nicht die der Kinder? Warum lassen wir Milliarden Euro an Krisengewinnen der Großkonzerne unangetastet, aber für Kinder ist nichts da?

(Sönke Rix [SPD]: Wir haben ein Sondervermögen für Kinder, für den Kitaausbau!)

Nun ist es so, dass uns Geld allein nicht aus der Kitakrise rettet. Es muss auch sinnvoll investiert werden – also nicht so wie bei der Bundeswehr. Die Bundesregierung hat aber nach wie vor keinerlei Konzept gegen den Fachkräftemangel. Der hat Gründe: Die Fachkräfte werden aktuell nicht nur bescheiden bezahlt,

(Matthias Seestern-Pauly [FDP]: Wie in Thüringen! 2,53 Euro, oder?)

die gehen auch auf dem Zahnfleisch, weil sie mit immer mehr Aufgaben überhäuft werden. Erzieher/-innen hängen ihren Job an den Nagel, weil sie nicht mehr können.

(Matthias Seestern-Pauly [FDP]: Sie stellen gerade den Ministerpräsidenten, den Kultusminister und die Sozialministerin!)

– Herr Seestern-Pauly, stellen Sie eine Zwischenfrage, wenn Sie Fragen haben.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. Matthias Seestern-Pauly [FDP] erhebt sich)

Das muss man erst mal packen, das Nervenkostüm von Menschen, die sich den ganzen Tag mit Kleinkindern beschäftigen, so zu überlasten.

Sehr geehrte Kollegin, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich finde es sehr beeindruckend, dass seitens der Linken hier im Deutschen Bundestag immer darauf verwiesen wird, dass es von allem mehr – und viel schneller – geben soll. Es gibt bei der frühkindlichen Bildung auch eine gewisse Zuständigkeit der Länder, und da gibt es ein Bundesland, nämlich Thüringen, wo Sie den Ministerpräsidenten stellen, den zuständigen Kultusminister und die Sozialministerin,

(Beifall der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

das heißt wirklich alle, die im Bereich der frühkindlichen Bildung Einfluss nehmen könnten. Da werden Tagesmütter mit 2,53 Euro pro Kind pro Stunde abgespeist. Das heißt, bei der maximalen Anzahl von fünf Kindern sind sie bei 12,65 Euro – also knapp über dem Mindestlohn –, bei vier Kindern sogar darunter.

In diesem Zusammenhang würde mich mal interessieren: Sprechen Sie eigentlich mit Ihren Kollegen vor Ort, oder sind das alles Sonntagsreden, die Sie hier ausschließlich im Bundestag halten?

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank für die Zwischenfrage. – Ich freue mich sehr, dass Bodo Ramelow Ministerpräsident in Thüringen ist. Das wurde ja nicht durch Sie ermöglicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie hatten da andere Prioritäten und andere Unterstützung. Ja, wir sprechen miteinander. Morgen wird es da ein Gespräch zwischen unserem Fraktionsvorsitzenden hier im Bundestag und unseren Ländern geben. Da werden wir auch dieses Thema ansprechen, nämlich das KiTa-Qualitätsgesetz.

(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Ach, ihr habt bisher noch gar nicht gesprochen!)

Zu genau solchen Fragen und genau zu diesem Thema sind wir auch in Kontakt.

Sie haben total recht: Da ist viel zu tun. Aber das ist nicht nur in Thüringen so, sondern in vielen Ländern. Ich glaube, wir sind uns doch sogar einig, dass wir wegmüssen vom Kooperationsverbot und hin zu einem Kooperationsgebot; das können wir zumindest in den Diskussionen immer wieder feststellen. Ich denke, da sollten wir an einem Strang ziehen. Der Bund ist dafür verantwortlich – das wurde vorhin auch von der SPD gesagt –, für gleiche Lebensverhältnisse zu sorgen. Also schieben Sie das nicht immer auf die Länder ab,

(Matthias Seestern-Pauly [FDP]: Mache ich nicht! Ich habe nur eine Frage gestellt!)

sondern machen Sie das, was hier möglich ist. Das wäre, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen: Was müssen wir gegen den Fachkräftemangel machen? Natürlich Ausbildungsplätze schaffen, Leute zurückholen, die entnervt aufgegeben haben, und Quereinsteiger/-innen fortbilden. Natürlich geht das nicht von jetzt auf gleich; aber wir müssen doch wenigstens endlich mal anfangen. Deswegen brauchen wir jetzt einen Beteiligungsprozess, bei dem Sie endlich mal auf Leute hören, die wissen, wovon sie reden, auf meine Kolleginnen und Kollegen nämlich, die den Job machen und die das umsetzen müssen, was Sie hier beschließen, damit das nächste KiTa-Gesetz nicht wieder so ein Ist-ja-besser-als-nichts-Gesetz wird.

Zusammengefasst: Unter der GroKo gab es für die Kitas kaum Geld und keinen Plan. Mit der Ampel gibt es kaum Geld, keinen Plan und totales Chaos in der Umsetzung. Wenn Sie als Fortschrittskoalition zur Abwechslung mal fortschrittliche Politik machen wollen, dann stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)