Zum Hauptinhalt springen

Keine soziale Diskriminierung bei der Einbürgerung!

Rede von Gökay Akbulut,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Fast 12 Millionen Menschen leben inzwischen in Deutschland ohne die deutsche Staatsbürgerschaft; zum Teil schon seit Jahrzehnten. Sie sind von politischer Teilhabe ausgeschlossen. Sie können nicht wählen und auch nicht gewählt werden. Keine Demokratie kann es sich leisten, so viele Bürger auf Dauer von politischer Teilhabe auszuschließen. Deshalb begrüßen wir Linke es ausdrücklich, dass das Staatsbürgerschaftsrecht endlich reformiert werden soll.

(Beifall bei der LINKEN)

Nur die Staatsbürgerschaft erlaubt es, die Grundrechte unserer Verfassung umfassend wahrzunehmen. Sie erlaubt in Europa Freizügigkeit, und im Ausland bietet sie in Notfällen konsularischen Schutz. Erst die Staatsbürgerschaft eröffnet Menschen eine langfristige Perspektive für ihr Leben in Deutschland. Der deutsche Pass steht daher nicht am Ende eines langwierigen mühsamen Integrationsprozesses à la Leitkultur, wie es etwa die CDU/CSU-Fraktion meint. Nein, die Staatsbürgerschaft ist die Bedingung für erfolgreiche Integration.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wer als Staatsbürger mitentscheiden darf, wird sich im größeren Umfang mit staatlichen Einrichtungen identifizieren und deren Maßnahmen akzeptieren. Es geht auch um die Legitimation von staatlichen Institutionen und von staatlichem Handeln.

Es ist daher nicht nur im Interesse der Migrantinnen und Migranten, das Staatsbürgerschaftsrecht zu reformieren, es ist auch im öffentlichen Interesse, dass die bestehenden Hürden endlich gesenkt werden.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig! Genau!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir begrüßen es, dass die Wartezeit verkürzt wird und dass die doppelte Staatsangehörigkeit generell ermöglicht werden soll. Heute schon wird die Mehrstaatigkeit bei fast 70 Prozent aller Einbürgerungen hingenommen. Aufgrund vieler Ausnahmen richtet sich das Verbot der doppelten Staatsangehörigkeit in erster Linie gegen Menschen aus der Türkei, die diese Regelung vollkommen zu Recht als diskriminierend empfinden. Deshalb ist es gut, dass wir Mehrstaatigkeit generell akzeptieren und uns in dieser Frage der europäischen Normalität annähern.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Womit wir Linke allerdings in keiner Weise einverstanden sind, ist die geplante Verschärfung bei dem Kriterium der Sicherung des Lebensunterhalts: Wer Sozialleistungen bezieht,

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das war ja klar!)

darf kein Deutscher werden. – Das ist der sogenannte Modernisierungsplan der Ampelregierung.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es! Genau!)

Das lehnen wir ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Die bisherige Regelung, dass der unverschuldete Bezug von Sozialleistungen kein Problem darstellt, soll bis auf wenige Ausnahmen gestrichen werden. Das betrifft vor allem Personen, die Angehörige pflegen, Menschen mit Behinderung oder Alleinerziehende mit kleinen Kindern. Hier droht eine massive soziale Diskriminierung, die wir Linke nicht akzeptieren werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn die FDP davon spricht, sie würde auf diese Weise die Einwanderung in die Sozialsysteme verhindern, dann ist es nicht nur übelste AfD-Rhetorik, es ist auch reine Augenwischerei; denn um Einwanderung geht es hier ja gar nicht. Die Menschen, über die wir hier reden, leben schon seit Jahren oder Jahrzehnten in Deutschland. Die FDP bringt böswillig Themen durcheinander, weil sie sich wieder Zuspruch vom rechten Rand erhofft. Sie verhindert aber eine sachliche Debatte in der Migrationspolitik, die wir jetzt dringend brauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir Linke wollen, dass Einkommensverhältnisse kein Kriterium sein dürfen bei der Frage, wer den deutschen Pass bekommt. Dafür werden wir uns in den Beratungen zu diesem Gesetzentwurf auch einsetzen.

Meine Damen und Herren, der Entwurf sieht weiterhin vor, dass die Einbürgerung bei antisemitisch oder rassistisch motivierten Handlungen verweigert wird. Dazu soll auch in Strafurteilen gesucht werden.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)

Solche Gesinnungsprüfungen finde ich wenig hilfreich.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Wir brauchen klare Kriterien bei der Einbürgerung, und natürlich brauchen wir eine klare Kante gegen jede Form von Antisemitismus und Rassismus.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Was sagt denn die Frau Wagenknecht eigentlich dazu?)

Aber das sollte für Deutsche und Nichtdeutsche gleichermaßen gelten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)