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Harald Weinberg: Systemwechsel im Krankenhaus - Gemeinwohl statt Kostendruck und Profite

Rede von Harald Weinberg,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Krankenhausfinanzierung durch Fallpauschalen schafft eine Ökonomisierung und Kommerzialisierung der Krankenhäuser, schafft auch die Privatisierung von Krankenhäusern und führt zu einer Arbeitsverdichtung, die verantwortlich ist für den Pflegenotstand, der dort entsteht. Darüber will ich heute reden.

Im Sommer 2012 besuchte mich die Tarifkommission der Charité, um über die Auseinandersetzung zum Thema Pflegenotstand in den Krankenhäusern und auch darüber zu informieren, dass sie einen Tarifvertrag zur Entlastung der Pflege durchsetzen wolle. Ich bin diesen Kolleginnen und Kollegen zu tiefstem Dank verpflichtet. Das war der Beginn einer bis heute anhaltenden Zusammenarbeit über das Thema Krankenhäuser und den Pflegenotstand in denselben.

(Beifall bei der LINKEN)

Zusammen mit der Gewerkschaft Verdi, bei mehreren „Krankenhaus-Ratschlägen“, die wir organisiert haben, in einem eigens gegründeten Bündnis mit dem Namen „Krankenhaus statt Fabrik“, in einer Reihe von Streiks, Aktionen und Demos, in mehreren Volksbegehren, unter anderem auch in meinem Heimatbundesland Bayern mit mehr als 120 000 Unterschriften – überall wurde die Krankenhauspolitik thematisiert,

(Beifall bei der LINKEN)

und der Pflegenotstand wurde allmählich zu einem Pflegeaufstand.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, die hier aktiv waren und die ich über die Jahre kennenlernen durfte. Ich habe sehr viel von ihnen gelernt und ihre teils sehr bedrückenden Erfahrungen im Pflegealltag teilen dürfen. Mein Anliegen war es immer, diesen Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament eine Stimme zu geben. Und es war ein hartes Brot, bis die Regierungen, die ich erleben musste, von dieser angespannten Situation in den Krankenhäusern überhaupt Kenntnis genommen haben.

Die FDP-Gesundheitsminister Rösler und Bahr haben das Ganze überwiegend komplett ignoriert. Aus ihrer Sicht war alles mit der DRG-Finanzierung hinreichend gut geregelt. Unter CDU-Minister Gröhe gab es zumindest eine Wahrnehmung der Probleme in der Pflege, sowohl im Krankenhaus als auch in der Altenpflege.

So richtig Aufmerksamkeit erhielt das Thema dann im Zusammenhang mit der Pandemie. Die Systemrelevanz der Krankenhauspflege war nicht zu leugnen. Minister Jens Spahn schien verstanden zu haben und rief die Konzertierte Aktion Pflege ins Leben. Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung und Pflegepersonal-Stärkungsgesetz wurden auf den Weg gebracht und zeigten dann allerdings unerwartete Wirkungen in den Krankenhäusern. Die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung war sogar eine Einladung zum Absenken des Personalumfangs in manchen Bereichen und zum Zusammenlegen von Stationen, um den Sanktionen zu entgehen. Aber der eigentliche Pflegenotstand ist dadurch nicht beseitigt worden.

Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz – die Herausnahme des Pflegebudgets aus den DRGs – hat erst einmal zu zähen Verhandlungen zwischen Kassen und Krankenhäusern geführt. In den meisten Bundesländern ist es bisher noch nicht zu einer vertraglichen Regelung gekommen. Es gab Manipulationsversuche und vor allen Dingen auch Unterstellungen von beiden Seiten; daher hat es bisher kaum Wirkung entfaltet.

Nun hatte die Konzertierte Aktion Pflege ein tatsächlich wegweisendes Ergebnis: DKG, Verdi und Deutscher Pflegerat legten ein Konzept für eine bedarfsgerechte Personalbemessung vor und machten dabei den Vorschlag, für die Übergangszeit bis zur Entwicklung eines neuen Instruments die Pflegepersonal-Regelung 2.0 einzusetzen, erfolgreich erprobt in 44 Krankenhäusern. Dieser Vorschlag durfte dann aber erst mal im Bundesministerium abhängen und Staub ansetzen. Danach wurde er mit freundlicher Unterstützung der Kassen ohne besonders tiefgehende Gründe einfach als unpraktikabel abgelehnt.

Stattdessen gab es dann einen Änderungsantrag zum Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – Drucksachennummer 19/30563 –, in dem steht, dass die Entwicklung und Erprobung eines solchen Personalbemessungsinstruments spätestens bis zum 31. Dezember 2025 abzuschließen sei. Es wurde also auf die lange Bank geschoben; das muss man erst mal realistisch festhalten. Ich habe genug Erfahrung, um zu wissen, dass mit einer Einführung dann nicht vor 2026 zu rechnen ist. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Pflegekräfte.

(Beifall bei der LINKEN)

Und die sagen jetzt vollkommen zu Recht: Ihr könnt euch euren Applaus irgendwohin stecken.

Ich möchte den Pflegekräften zurufen: Werdet und bleibt weiter aktiv! Lasst nicht nach! Erhöht den Druck, gerade in dem jetzt anstehenden Wahlkampf!

(Beifall bei der LINKEN)

Prüft die Wahlprogramme der Parteien in dieser Frage und den Fragen der Krankenhauspolitik! Kämpft weiter für eine Entlastung des Personals in den Krankenhäusern, wie es aktuell die Kolleginnen und Kollegen der Charité und bei Vivantes in Berlin machen! Da läuft ein Ultimatum, und da wird es demnächst wahrscheinlich zu einem Streik kommen.

Eine bedarfsgerechte Personalbemessung muss sofort nach einer Regierungsbildung umgesetzt werden, nicht erst 2025. Und eine grundlegende Reform der Krankenhausfinanzierung – wir haben es ja gehört – muss sofort von einer neuen Gesundheitsministerin angegangen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Blaupause hat Die Linke mit ihrem Antrag zum Systemwechsel in der Krankenhausfinanzierung geliefert. Die Zeit ist überreif für eine solche grundlegende Reform, und ich bin überzeugt: Sie wird in der nächsten Wahlperiode kommen müssen.

Ich selber werde das Ganze dann allerdings von außerhalb des Parlaments begleiten; denn das war meine letzte Rede, die ich den kämpfenden Kolleginnen und Kollegen widmen möchte. Ich bedanke mich bei allen, die meinen Weg ein Stück weit begleitet haben, ihn gekreuzt haben und die diesen Dank auch verdient haben, und sage auf gut Fränkisch: Ade!

(Anhaltender Beifall bei der LINKEN – Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Die Abgeordneten der LINKEN erheben sich)