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Harald Weinberg: Systemwechsel im Krankenhaus - Gemeinwohl statt Kostendruck und Profit

Rede von Harald Weinberg,

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Coronapandemie hat es noch einmal deutlich an den Tag gebracht: Jetzt ist die Zeit für einen Systemwechsel in der Krankenhauspolitik, der sich am Gemeinwohl orientiert und den ökonomischen Druck von den Krankenhäusern nimmt.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Zweck eines Krankenhauses ist nicht, Profite zu erwirtschaften, sondern die Bevölkerung bedarfsgerecht zu versorgen. Krankenhäuser sind Teil des Sozialstaates. Sie in einen wirtschaftlichen Wettbewerb zu zwingen, war ein großer politischer Fehler, der korrigiert werden muss.

(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr richtig! Sehr richtig!)

Ein pauschales Vergütungssystem, wie es das diagnoseorientierte Fallpauschalensystem ist, schafft immer Gewinner und Verlierer und verändert die Krankenhauslandschaft nachhaltig. Manche meinen ja auch, dass dies die eigentliche Absicht dieses Systems ist.

Zu den Verlierern gehören Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung vor allem in den ländlichen Regionen, die nicht aus den roten Zahlen herauskommen und von Schließungen bedroht sind. Von den Bereichen, die mit den Pauschalen nicht kostendeckend arbeiten können, wie zum Beispiel die Geburtshilfe und die Kinder- und Jugendmedizin, sind in den letzten Jahren viele geschlossen worden, obwohl es einen Versorgungsbedarf gegeben hat.

Die Beschäftigten in den Krankenhäusern gehören ebenfalls zu den Verlierern, besonders diejenigen im nichtärztlichen Bereich. Bei den Beschäftigten führt der Zwang zur Kostensenkung zu einer massiven Überlastung und Ausdünnung des Personals. Über Jahrzehnte wurden im nichtärztlichen Bereich Stellen abgebaut und nicht neu besetzt. Mit dem Ziel der Tarifflucht werden immer mehr Tätigkeiten in Tochtergesellschaften ausgelagert. Diese Entwicklungen verschlechtern nicht nur die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, sie gefährden auch die Versorgung der Patientinnen und Patienten, die insgesamt damit auch zu den Verlierern gehören.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau!)

Zu den Gewinnern gehören zweifellos die privaten, profitorientierten Krankenhausträger. Deren Anteil an allen Krankenhäusern hat sich seit 1991 mehr als verdoppelt, von 15 Prozent auf aktuell 37 Prozent.

Und apropos Trägervielfalt, die ja als Grundsatz 1984 in das Krankenhausfinanzierungsgesetz hineingeschrieben worden ist: Im Markt der Privaten gibt es keine Vielfalt, sondern ein Oligopol. Es gab insgesamt vier und gibt inzwischen nur noch drei große Krankenhauskonzerne: Helios, Asklepios, Sana und ehemals Rhön. Rhön ist inzwischen aufgekauft worden, zu einem Teil von Helios, zu einem Teil von Asklepios. Jetzt sind es nur noch drei; sie teilen sich insgesamt in ihrem Markt der privaten Träger 80 Prozent der Fälle und haben dabei in den letzten zehn Jahren über 10 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Über 10 Milliarden Euro Gewinn in den letzten zehn Jahren!

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zentralisation des Kapitals!)

Und nur, um noch mal ganz deutlich zu sagen, wo dieses Geld herkommt: Das sind die Krankenversicherungsbeiträge der gesetzlich Versicherten, die am Ende an Eigentümer und Anteilseigner dieser Krankenhauskonzerne gehen. Das ist ein skandalöser Vorgang der Ausplünderung der Sozialkassen, der so nicht weitergehen darf.

(Beifall bei der LINKEN)

In den vergangenen Jahren hat die Kritik am System der Fallpauschalen zugenommen. Pflegekräfte kämpfen und streiken mit ihrer Gewerkschaft Verdi für Entlastung und mehr Personal. Beschäftigte in den Tochterunternehmen setzen sich gegen Tarifflucht und Niedriglöhne zur Wehr. Ärztinnen und Ärzte und ihre Organisationen kritisieren die Zwänge der kommerzialisierten Medizin. Bürgerinnen und Bürger protestieren gegen die Schließung von Stationen und ganzen Krankenhäusern aus wirtschaftlichen Gründen.

Und Ihre Landräte und Bürgermeister schlossen sich diesen Protesten vielfach an und fordern immer vehementer von der Bundespolitik – von Ihnen als Gesetzgeber! – eine grundlegende Änderung in der Krankenhausfinanzierung.

(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schau an!)

Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz war eine Reaktion auf die vom DRG-System, vom Fallpauschalensystem, verursachten massiven Fehlentwicklungen in der Krankenpflege und auf die lautstarken Kritiken daran und Proteste dagegen. Die Herausnahme des Pflegepersonalbudgets aus den DRGs ist ein Wiedereinstieg in die kostendeckende Finanzierung. Diesen Weg müssen wir jetzt konsequent weitergehen.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau!)

Das DRG-System als Finanzierungssystem ist gescheitert. Wenn es überhaupt noch eines Beweises dafür bedürfte, hat ihn die Coronakrise erbracht. Ohne diese dem System fremden Finanzierungsinstrumente mit fragwürdiger Verteilungswirkung wäre die Krankenhausversorgung zusammengebrochen. Aber auch so drohen in den nächsten Jahren –

– ich komme zum Schluss – ein zunehmendes Krankenhaussterben und eine weitere Privatisierungswelle. Ein Finanzierungssystem, das derart krisenuntauglich und gegen die Interessen der Patientinnen und Patienten wie der Beschäftigten ausgerichtet ist, –

– muss abgeschafft werden. Jetzt ist es Zeit für eine grundlegende Neuausrichtung der Krankenhauspolitik. Krankenhaus statt Fabrik, das muss die Losung sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)