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Doris Achelwilm: Intergeschlechtliche Kinder vor unnötigen OPs schützen, Betroffene entschädigen

Rede von Doris Achelwilm,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Anwesende! In diesen Zeiten ist es wichtig, zu würdigen, wenn Gutes passiert. Ein Schutzgesetz für intergeschlechtliche Neugeborene und Kinder ist etwas Gutes, weil es Menschen, denen erst mal nichts Wesentliches fehlt außer Akzeptanz, davor bewahrt, ohne Einwilligung körperlich verändert und angepasst zu werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Seit den 50er-Jahren gilt in vielen Ländern die medizinische Praxis, Kinder an den Genitalien zu operieren, wenn diese nicht eindeutig männlichen oder weiblichen Normvorstellungen entsprechen. Eine Gesundheits- oder lebensbedrohliche Indikation besteht für diese Eingriffe meistens nicht. Wir sprechen hier von kosmetischen OPs, denen die Annahme zugrunde liegt, dass das betroffene Kind dem angepassten Geschlecht schon wird folgen können und damit dann vermeintlich besser lebt. Und wir sprechen davon, dass diese Prozeduren absolut nicht harmlos und auch nicht in Ordnung sind, sondern persönlichkeitsverletzende Grundrechtseingriffe. Schluss damit!

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Konsequenzen dieser Praxis wurden lange Zeit schwer unterschätzt, weil die Betroffenen ja nicht gefragt wurden, sich oft gar nicht zu den Folgen der früheren körperlichen Fremdbestimmung verhalten konnten, mit der Erfahrung lebten, irgendwie nicht kommunizierbar zu sein. Die Ignoranz allgemein war wirklich beträchtlich. Unter anderem Traumata, Verlust geschlechtlicher Empfindungsfähigkeit, unnötige Hormonbehandlungen waren und sind bis heute der Preis, den die Geschädigten zahlen – heimlich und oft ohne Hilfe.

Die Selbstvertretungen intergeschlechtlicher Menschen leisten hier seit vielen Jahren Aufklärung und treiben Ansprüche und Forderungen voran. Dank insbesondere an den Verein Intersexuelle Menschen, die Internationale Vereinigung Intergeschlechtlicher Menschen, den Bundesverband Trans*, an dgti und viele, viele mehr, darunter Christian Schenk, der erstmals 2001 in diesem Haus mit der damaligen PDS-Fraktion parlamentarische Initiativen zu diesem Thema angeschoben hat.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Mechthild Rawert [SPD])

Dass die Bundesregierung jetzt ein Schutzgesetz vorlegt, wird Zeit. Es gibt zwar eine Behandlungsleitlinie von 2016, die Abhilfe schaffen sollte, aber diese Selbstregulierung des Gesundheitssystems hat nicht funktioniert. Wir haben es gehört: Die OPs gingen in einer Größenordnung von etwa 2 000 pro Jahr weiter.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hat nun zum Ziel, dass diese nicht nötigen Zwangs-OPs an Inter-Kindern fortan unterlassen werden. Das ist sehr klar und sehr gut. Wenn Entscheidungen über doch notwendige Eingriffe zu treffen sind, dann nicht mehr allein zwischen den Eltern und den Medizinerinnen und Medizinern. Künftig sollen auch weitere Instanzen über Ausnahmen entscheiden. Um Fehler zu vermeiden und spätere Recherchen von Betroffenen zu gewährleisten, wollen wir, dass alle Behandlungen in einem zentralen Register dokumentiert werden. Die Verlängerung der Aufbewahrungsfristen für Akten von Patientinnen und Patienten, wie wir sie als Linke schon mehrfach in unseren Anträgen gefordert haben, ist nötig für Aufklärung und Nachsorge. All das werden wir in den Ausschüssen noch weiter bereden.

Für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen werden wir als Linke weiter kämpfen, unter anderem mit unserem laufenden Antrag zur Entschädigung der Betroffenen von Inter-OPs und Transsexuellengesetz, der aktuell die Beratung zur Abschaffung des TSG begleitet.

Ich freue mich auf die weitere Auseinandersetzung und wünsche allen frohe Festtage und ein schönes Wochenende.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Mechthild Rawert [SPD])