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CDU/CSU bleibt Anwalt der großen Konzerne

Rede von Janine Wissler,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was die Unionsfraktion hier vorlegt, liest sich wie ein Wunschzettel mit den Allzeithits der Unternehmensverbände, der dem Leitbild folgt, dass Regulierungen grundsätzlich vor allem eine Belastung und schlecht sind.

Sie sagen in Ihrem Antrag, dass der Mindestlohn Mehraufwand für Unternehmen bedeutet. Ja. Aber warum wurde denn der gesetzliche Mindestlohn eingeführt? Er wurde eingeführt, weil immer mehr Menschen zu Hungerlöhnen arbeiten müssen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es!)

Deshalb wurde der gesetzliche Mindestlohn eingeführt. Und warum muss die Einhaltung nachgewiesen und kontrolliert werden? Weil es massenhaft Verstöße und Umgehungsversuche gibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Um den Mindestlohn zu umgehen, entwickeln einige Unternehmen eine Kreativität, die man sich an anderer Stelle nur wünschen könnte.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Sonst ist es doch immer die Union, die auf die Überwachung oder Einhaltung von Gesetzen pocht. Sie sind doch die selbsternannte Law-and-Order-Partei.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja!)

Aber wenn es um die Rechte von Beschäftigten oder um Umweltauflagen geht, nehmen Sie es nicht so genau mit Law and Order.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Doch, doch, doch! Die Einhaltung von Gesetzen ist immer wichtig! – Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])

Da ist das dann ein Bürokratieaufwand, den man abbauen kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Warum führen denn immer mehr Länder und hoffentlich bald auch der Bund Tarifbindungsklauseln für öffentliche Aufträge ein? Weil immer mehr Unternehmen aus der Tarifbindung aussteigen,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist aber auch gemäß dem Recht! Steht im Grundgesetz drin! Koalitionsfreiheit!)

um Gewinne auf Kosten der Beschäftigten zu steigern. Und warum muss es auch hier Nachweise und Kontrollen geben? Weil sich nur so der Zweck der Regelung erreichen lässt, nämlich mehr Tarifbindung und keine öffentlichen Aufträge für Unternehmen, die Tarifflucht begehen und die sozialen und ökologischen Standards unterlaufen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Es gibt aber keinen Koalitionszwang!)

Der Eindruck, den Sie hier erwecken, man müsste nur Vorschriften und Bürokratie abbauen, damit es allen besser geht, ist einfach falsch. Sie verschweigen, dass das, was Sie hier vorschlagen, bedeuten würde, dass viele Menschen, nämlich Beschäftigte, weniger Schutzrechte hätten als zuvor. Sie wollen zum Beispiel die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeit von Minijobbern abschaffen. Damit öffnen Sie doch Tür und Tor für die massenhafte Umgehung des gesetzlichen Mindestlohns.

Wenn Sie Gründerschutzzonen vorschlagen, die Unternehmen in den ersten beiden Jahren weitgehend von bürokratischen Vorschriften befreien sollen: Darf man mal fragen, welche Vorschriften Sie meinen?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Arbeitsschutzvorschriften? Die Arbeitsstättenverordnung? Umweltauflagen? Woran muss man sich Ihrer Meinung denn noch halten, wenn man ein neues Unternehmen gründet? Und wie wollen Sie dann verhindern, dass es einen Missbrauch durch Kettengründungen gibt? Wenn man dauernd neue Unternehmen gründet, muss man dann nämlich keine Standards mehr einhalten. Oder müssen dann Beschäftigte und Kunden zum Beispiel damit rechnen, dass ihre Daten bei neugegründeten Unternehmen weniger geschützt werden? Das steht ja in Ihrem Antrag.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Sie wollen die Schwellenwerte für die Bestellung von betrieblichen Datenschutzbeauftragten so erhöhen, dass nur noch ein Bruchteil der Unternehmen betroffen wäre.

Also das ist doch grotesk, was Sie hier vorschlagen!

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Fairness halber sei erwähnt, dass ein paar wenige Vorschläge, die Sie in Ihrem Antrag formulieren, ganz sinnvoll sind. Aber grundsätzlich gilt, dass wir Regeln brauchen zum Schutz der Beschäftigten und für ökologische Standards wie das Lieferkettengesetz; und deren Einhaltung muss natürlich auch kontrolliert werden. Was Sie hier vorschlagen, bedeutet, Schutzrechte von Beschäftigten unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus in die Tonne zu treten.

Eine unsinnige Regelung ist auch Ihr Vorschlag, dass die Bundesverwaltung nur noch dann eine Einstellung vornehmen kann, wenn an anderer Stelle eine Stelle wegfällt. Das ist absurd. Die Personalausstattung des Staates muss natürlich den Aufgaben folgen, die zu erledigen sind. Sie beklagen die lange Verfahrensdauer. Ja, warum haben wir die denn? Weil die ganze Zeit von einem „schlanken Staat“ geredet wurde, weil in den Planungsämtern Mittel und Stellen gekürzt wurden und es jetzt eben viel länger dauert, Bauanträge und alles andere zu bearbeiten.

Deshalb – ich komme zum Schluss –: Ihr Antrag verkennt die zentralen Herausforderungen, vor denen wir in diesem Land stehen. Wir müssen eine Transformation gestalten, und dafür braucht es massive öffentliche Investitionen, die Sie in trauter Eintracht mit der Ampel blockieren. Künftigen Generationen marode Schulen, bröckelnde Brücken und die Folgen des Klimawandels zu vererben, das hat nichts, aber auch gar nichts mit Generationengerechtigkeit zu tun. Deswegen muss diese vermaledeite Schuldenbremse endlich weg.

(Beifall bei der LINKEN)