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Ausverkauf staatlichen Eigentums stoppen – Keine Privatisierung der TLG-Wohnungen

Rede von Heidrun Bluhm-Förster,

Rede im Deutschen Bundestag (212. Sitzung) am Freitag, den 30. November 2012 zur abschließenden Debatte zum Antrag der LINKEN mit derm Titel "Ausverkauf staatlichen Eigentums stoppen – Keine Privatisierung der TLG-Wohnungen" (Drucksachen 17/9150) sowie Antrag der SPD mit dem Titel "Wohnungspolitische Verantwortung bei Übertragung der bundeseigenen TLG-Wohnungen sichern" (Drucksachen 17/9737).

Heidrun Bluhm (DIE LINKE):

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor allem meine Damen und Herren der Bundesregierung und auch sehr geehrter Herr Kampeter vom Bundesfinanzministerium – wo ist er jetzt? Er sitzt jetzt hier als Abgeordneter –, glauben Sie vielleicht im Ernst, dass Sie uns durch Ihren hektischen Aktionismus, den Sie beim Verkauf der TLG Wohnen GmbH an den Tag gelegt haben, austricksen können?

(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Nein!)

Der vorgestern eilig vollzogene und geheimnisvolle Abschluss des Kaufvertrages wird Sie nicht davor schützen, dass Ihre Machenschaften nicht doch ans Tageslicht kommen; denn dafür werden wir sorgen.


(Beifall bei der LINKEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Den Termin habe ich öffentlich verkündet, Frau Kollegin!)

Abgesehen davon, dass Sie in vollem Wissen darum gehandelt haben, dass die Parlamentarier in dieser Woche Anträge auf einen Verkaufsstopp öffentlich abschließend beraten werden, haben Sie damit vor allem die Mieterinnen und Mieter vor vollendete Tatsachen gestellt, ohne sie davon in Kenntnis zu setzen.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Unglaublich!)


Das soll der neue Eigentümer nicht morgen, nicht nächste Woche oder nächsten Monat tun; nein, das soll er im nächsten Jahr machen; so ist die Verlautbarung. Aber das Jahr ist lang! Das ist ein Skandal, meine Damen und Herren,
(Beifall bei der LINKEN)
so wie Ihre gesamte Informationspolitik gegenüber den betroffenen Mieterinnen und Mietern in den letzten Monaten ein Skandal war.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist die Wahrheit! – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Nach Mückes Rede könnt ihr euch das ersparen, oder?)

Offensichtlich haben Sie sehr viel zu verheimlichen, wenn Sie sowohl Ihr Parlament als auch die Mieterinnen und Mieter, vor allem aber die Öffentlichkeit völlig heraushalten wollen.

(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Nach des Staatssekretärs Rede könnt ihr euch das sparen, könnt ihr nach Hause gehen, oder?)

Eigentlich wollten Sie ein offenes, transparentes und bedingungsfreies Bieterverfahren durchführen. Ihre Vorgehensweise ist weder transparent noch offen und schon gar nicht bedingungsfrei.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben vorgestern für knapp eine halbe Milliarde Euro das letzte Wohnungsvermögen der Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR an den internationalen Immobilienmarkt verscherbelt,

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das ist jetzt aber Ideologie!)

obwohl Sie auch die Chance gehabt hätten, diese Wohnungen denjenigen zu verkaufen, denen sie eigentlich gehören.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Wem denn?)

Wenn die Mieterinnen und Mieter auch ein zweites Mal dafür bezahlt hätten, wären sie doch nach 22 Jahren endlich rechtmäßige Eigentümer der Wohnungen geworden. Sie wollten Tatsachen schaffen, obwohl im Parlament Anträge eingebracht wurden, den Verkauf zu stoppen oder eine Übertragung an die Kommunen, wie es der Einigungsvertrag vorsieht, vorzunehmen.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Gut zuhören, Kollegen!)

Ich zitiere aus § 1 Abs. 1 des Treuhandgesetzes:

„Volkseigenes Vermögen, das kommunalen Aufgaben und kommunalen Dienstleistungen dient, ist durch Gesetz den Gemeinden und Städten zu übertragen.“

(Beifall des Abg. Steffen Bockhahn [DIE LINKE])

Aber für Sie ist das, wie der aktuelle Verkaufsfall beweist, keine kommunale Aufgabe der Daseinsvorsorge. Das ist ein Irrtum. Das ist ein sozialer Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Sie begünstigen schamlos private Finanzinvestoren. Schon vor der Verkaufsentscheidung haben Sie diese Haushaltseinnahme in das Jahr 2013 verschoben. Warum? Ich sage es Ihnen: Weil die TAG das Kapital erst an der Börse besorgen muss. 30 Millionen Aktien müssen erst verkauft werden, damit der Kaufpreis aufgebracht werden kann. Das braucht natürlich Zeit; deshalb die Verschiebung. Diese Aktien werden vornehmlich angelsächsische Kapitalanleger mit hohen Renditeerwartungen, die die Mieterinnen und Mieter hinterher zu erwirtschaften haben, erwerben.

(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Was ist denn eine hohe Renditeerwartung?)

Mit diesem Deal tragen Sie dazu bei, dass sich die Gesamtbilanz des Käufers allein durch die hohe Werthaltigkeit der TLG Wohnen GmbH wesentlich verbessern wird. Das ist Begünstigung der Privatwirtschaft auf Kosten des Allgemeinwohls. Auch das ist ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Volkseigenes Vermögen, das kommunalen Aufgaben und kommunalen Dienstleistungen dient, ist durch Gesetz den Gemeinden und Städten zu übertragen.

Die viel gepriesene Sozialcharta, die Sie verhandelt haben wollen, geht völlig am Leben vorbei. Vereinbart wurde hauptsächlich das, was sowieso nicht eintreten wird oder ohnehin geltendes Recht ist, zum Beispiel Luxussanierungen im Plattenbau. Ich bitte Sie: Wo wollen Sie da eine Luxussanierung durchführen? Das fällt über-haupt nicht an. Ein anderes Beispiel sind Eigenbedarfskündigungen. Eine Aktiengesellschaft kann überhaupt keine Eigenbedarfe anmelden, es sei denn, der Vorstandsvorsitzende hat keine Wohnung.

(Sebastian Körber [FDP]: Was hat das denn mit dem Thema zu tun?)

Aber ich denke nicht, dass er in Kitzscher, in Dresden oder vielleicht in Strausberg wohnen möchte. Deshalb kommt für ihn auch keine Eigenbedarfskündigung in-frage.
Wirklich geholfen hätte den Mieterinnen und Mietern, wenn in dieser Sozialcharta die jetzige Miethöhe festgeschrieben worden wäre.

(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Oh ja! Am besten für 50 Jahre! – Oliver Luksic [FDP]: Reichen denn die nächsten 100 Jahre?)

Davon steht in Ihrer Sozialcharta allerdings überhaupt nichts. Ihre Sozialcharta ist scheinheilig, gewissenlos und wird keinen Mieter vor maximaler Verwertung seiner Wohnung schützen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Sebastian Körber [FDP]: Ihre Rede ist scheinheilig!)

Der Vorstandsvorsitzende der TAG Immobilien AG hat sich erst gestern bei Frau Illner zu dem Thema geäußert, das Herr Bockhahn eben angesprochen hat.

(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das war echter Quatsch!)

Zum Schluss noch eine Bemerkung zur Rolle der Barclays Bank, meine Damen und Herren.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Arnold Vaatz?

Heidrun Bluhm (DIE LINKE):

Wenn das meine Redezeit verlängert, bitte.

(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ja, leider! – Petra Müller [Aachen] [FDP]: Jetzt bin ich ja mal gespannt!)

Arnold Vaatz (CDU/CSU):

Frau Kollegin, Sie haben sich doch selber an dem Bieterverfahren beteiligt, und zwar mit der extra neu gegründeten Wohnungsgesellschaft FAIRWOHNEN.

(Beifall bei der LINKEN – Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine lustige Idee!)

Können Sie erläutern, wie die Bedingungen für die Erwerber dieser Wohnungen, also für die Mitglieder der Genossenschaft, gewesen wären, wenn Sie den Zuschlag erhalten hätten, und können Sie erläutern, wie Sie das Ganze finanziert hätten?

(Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Sehr gute Frage!)

Heidrun Bluhm (DIE LINKE):

Herr Kollege Vaatz, vieles darf ich Ihnen nicht sagen, weil wir in diesem Zusammenhang eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben haben.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ach, sieh an! Der Bundesregierung vorwerfen, sie sage nichts, und selber Verschwiegenheitserklärungen unterzeichnen! Das ist typisch! – Gegenruf des Abg. Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Wer hat die Verschwiegenheitserklärung denn verlangt? – Oliver Luksic [FDP]: Hinterzimmer! So viel zum Thema Transparenz!)

Aber ich glaube, das, was Sie wissen wollen, darf ich an dieser Stelle sagen. Die TLG FAIRWOHNEN hätte sich für die Mieterinnen und Mieter als Eigentümer zur Verfügung gestellt, um ihnen diese Genossenschaft hinterher zu übergeben. Die Vermutung, Gysi und Lafontaine seien vielleicht für den Vorstand vorgesehen gewesen – Herr Hacker hat das in seiner Rede gesagt –, ist falsch.

(Beifall des Abg. Steffen Bockhahn [DIE LINKE])

Wäre uns der Zuschlag erteilt worden, hätten wir den Mieterinnen und Mietern diese Genossenschaft selbstverständlich für die Eigenverwaltung zur Verfügung gestellt. Wenn Sie die Satzung der TLG FAIRWOHNEN gelesen hätten, dann würden Sie wissen, was eine wirkliche Sozialcharta ausmacht: das Festschreiben und Selbstbestimmen, wie sich eine solche Genossenschaft entwickelt, das Festschreiben und Selbstbestimmen, wann wo investiert wird, und das Festschreiben und Selbstbestimmen, wie hoch die Miete sein soll.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wäre eine Sozialcharta gewesen, die wirklich hätte verhandelt werden können.

(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Leider haben Sie meine Frage damit aber nicht beantwortet! – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: War das jetzt die Antwort auf die Frage?)

Im Übrigen, Herr Vaatz, rede ich hier und heute nicht als Aufsichtsratsvorsitzende der TLG FAIRWOHNEN, sondern als Mitglied und wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN – Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Bravo! – Oliver Luksic [FDP]: Gut, dass Sie das noch mal gesagt haben! Sicher ist sicher!)

Ein letztes Wort zur Rolle der Barclays Bank. Gerade hat der Bundesfinanzminister für die Einfädelung des Deals jemanden als Transaktionsbeauftragten bestellt, der in England wegen Manipulation des Libor vor Gericht steht. Der Vorstandsvorsitzende der Bank ist bereits zurückgetreten, sicherlich nicht, weil diese Vorwürfe vor Gericht haltlos sind. Die Auswahl dieses Transakteurs durch den Bundesfinanzminister ist zumindest instinktlos, wenn nicht auch schon ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Was der wirkliche Skandal ist, sage ich Ihnen jetzt. Drei Mal dürfen Sie raten, wen die TAG Immobilien mit der Börsenemission für die 30 Millionen Aktien beauftragt hat, die für das Eigenkapital notwendig sind. Natürlich die Barclays Bank. Da kommt übrigens auch der jetzige TAG-Vorstandsvorsitzende her, wie in seiner Vita zu lesen ist. So schließt sich der Kreis und – so sollte ich vielleicht besser sagen – der Filz.

Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt muss ich Sie trotzdem auf die Redezeit aufmerksam machen.

Heidrun Bluhm (DIE LINKE):

Ja, sofort. Ich komme zum Schluss. – Egal, was auf dem Immobilienpaket der TLG draufsteht – immer ist Barclays drin.
Nehmen wir einmal an, die Barclays Bank wird dafür auch noch bezahlt. Das hat Herr Kampeter mir auf meine Anfrage aus Geheimniskrämerei nicht beantwortet. Aber 1 Prozent wird schon drin sein. 1 Prozent für diesen Deal heißt für die Barclays Bank fast 5 Millionen Euro.

Meine Damen und Herren in der Regierung und aus der Koalition, fragen Sie sich gelegentlich auch einmal, für wen Sie Politik machen oder wer Sie gewählt hat? Sicher nicht. Sonst würden Sie sich nicht als Trittbrett für die internationale Finanzindustrie betätigen. Aber eins haben Sie ja jetzt erreicht.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Sie haben mir versprochen, zum Schluss zu kommen.

Heidrun Bluhm (DIE LINKE):
Das leidige und von vielen Skandalen begleitete Thema der Treuhand ist nach 22 Jahren endlich Geschichte.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)