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Anke Domscheit-Berg: Der beste Staat ist ein gläserner Staat

Rede von Anke Domscheit-Berg,

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung verspricht uns schon länger viel Transparenz und Open Government, vor allem seit dem Beitritt zur Open-Government-Partnership, den ich im Übrigen begrüße, einem Erfahrungsaustausch zwischen Ländern auch zur Umsetzung des transparenten Staats.

In der Realität haben wir aber zu wenig Transparenz. Wir haben ein Open-Data-Portal, ja, aber es gibt dort viel zu wenig maschinenlesbare Daten. Wir haben kein Lobbyregister – immer noch nicht. Wir haben keinen legislativen Fußabdruck und können immer noch nicht erkennen, welche Paragrafen aus Gutachten von Lobbyisten Paragrafen in Gesetzen geworden sind. Das alles fordert Die Linke schon länger. Die GroKo lehnt ab und verspricht gleichzeitig mehr Transparenz. Das ist ein wenig lächerlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Die gleiche GroKo strengt eine Urheberrechtsklage gegen den MDR an wegen der Veröffentlichung eines Glyphosatgutachtens des Bundesinstituts für Risikobewertung. FragDenStaat, eine spendenfinanzierte zivilgesellschaftliche Plattform für Informationsfreiheit, hat das gleiche Gutachten über eine Informationsfreiheitsanfrage angefordert, erhalten, ins Netz gestellt und wurde ebenfalls wegen Urheberrechtsverletzung abgemahnt. Anschließend haben sich 40 000 Menschen das Gutachten über so eine Anfrage besorgt. Die Klage wurde im einstweiligen Verfahren im Juli 2019 vom Landgericht Köln entschieden. Das Gutachten steht also wieder im Netz. Die Linke drückt FragDenStaat auch im Hauptverfahren die Daumen und fordert von der Bundesregierung: Endlich Schluss mit dem Missbrauch des Urheberrechts! Schluss mit dem Zensurheberrecht!

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade bei Umwelt und Gesundheit braucht es maximale Transparenz. Da fehlt sie aber besonders oft. Das sehen wir im Fall Glyphosat. Wir sehen es aber auch im Dieselskandal. Seit 2017 lag dem Verkehrsministerium ein Gutachten vor, nach dem die Abschalteinrichtung bei Audi illegal ist. 2017! Das Datum ist brisant, weil die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt einfach nichts getan hat. Sie stand nicht an der Seite der Bürgerinnen und Bürger. Sie stellte sich als größte Lobby der Autoindustrie dar, selbst wenn diese Gesetze brach, indem sie Betroffenen diese Daten vorenthält.

Auch hier hat FragDenStaat eine Klage gegen das Kraftfahrt-Bundesamt angestrengt. Die Deutsche Umwelthilfe hat gegen das Verkehrsministerium geklagt, in diesem Fall, weil offizielle Messprotokolle, anders als in anderen Ländern üblich, nicht öffentlich gemacht worden sind. Die Bundesregierung agiert ganz offensichtlich nach dem Motto: So wenig Transparenz wie möglich. Und das zum Nachteil Betroffener, selbst bei rechtskräftigen Urteilen.

Der beste Staat ist aber ein gläserner Staat, in dem es keine Klagen braucht, um Informationsansprüche durchzusetzen. An den Beispielen sehen wir, dass wir weit entfernt sind vom Ideal. Das Open-Data-Gesetz ist ungenügend. Es muss ausgeweitet und präzisiert werden. Wir brauchen ein Transparenzgesetz.

Heute übrigens fand in Berlin am Nachmittag der Tag der Demokratie statt. Es war mir ein großes Vergnügen, dabei zu sein und mir die 22 Forderungen, die der Bürgerrat dort präsentiert hat, anzuhören. Von den Teilnehmern des Bürgerrates haben über 97 Prozent die Einrichtung eines Lobbyregisters gefordert. Das wollen Bürger haben, und es muss endlich kommen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Christian Petry [SPD])

Gesetze reichen aber nicht. Wir brauchen auch einen Kulturwandel, nach dem Transparenz ein selbstverständlicher Wert in Ämtern und Ministerien ist. Das passiert nicht von selbst. Es passiert auch nicht über Nacht. Das braucht Entschlossenheit, Zeit, Ressourcen und vor allem Vorbilder. Ein Vorbild ist zum Beispiel Minister Andi Scheuer nicht. Vorbildlich ist bisher die Zivilgesellschaft, die sehr aktiv ist. Aus diesem Grunde möchte ich explizit FragDenStaat besonders danken.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Christian Petry [SPD])

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen nichts im Strafgesetzbuch verloren haben. § 219a muss weg – immer noch.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)